Ich liebe es, meinen kleinen Sohn auf dem Spielplatz zu beobachten. Mit seinen eineinhalb Jahren ist er voller Tatendrang. Er klettert die großen Steine hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Er nimmt mich ganz selbstverständlich an der Hand und zeigt auf die große, hohe Rutschbahn. Er geht voraus, um oben auf mich zu warten, damit ich den kleinen erwartungsvollen Menschen auf die Rutsche heben kann. Dann schaut er mich mit seinen großen Augen stolz an und sagt «Bauch», dreht sich um und rutscht auf dem Bauch nach unten, nur um mich unten wieder an der Hand zu nehmen und schnurstracks wieder nach oben zu klettern. Kurz darauf zieht er selbst los, um eine andere Ecke des Spielplatzes zu erkunden. 

Mich berührt die Sicherheit, mit der er sich in dieser großen, ihm noch unbekannten Welt bewegt. Er weiss, was er will, wie er sich bewegen muss, wofür er Hilfe braucht und wofür nicht. Alles an ihm strahlt aus: „Ich fühle mich wohl, so wie ich bin. Ich bin mit mir zufrieden, auch wenn ich nicht alles kann. Und wo ich Hilfe brauche, hole ich sie mir», kommt mir von diesem kleinen Menschen entgegen. „Wann habe ich mich das letzte Mal so gefühlt?» geht mir durch den Kopf. Und: «Hoffentlich verliert er dieses Gefühl nicht».

Der Familientherapeut Jesper Juul beschreibt in seinem Buch «Dein kompetentes Kind» den Unterschied zwischen Selbstvertrauen und Selbstgefühl. Selbstvertrauen ist uns besser bekannt. Wir sprechen darüber, wie viel Selbstvertrauen wir haben und wissen oft, wie wir es stärken können. Beim Selbstvertrauen geht es um das, was wir können, um das Vertrauen in unsere Fähigkeiten. Es bezieht sich eher auf äußere und erlernte Qualitäten. Das Selbstgefühl hingegen ist unser Wissen und Erleben, wer wir sind. Es ist unsere innere Säule, die nicht von unserem Tun abhängig ist. Es ist dieses Selbstgefühl bei meinem Sohn, das mich berührt. Es kommt nicht aus seinem Tun, da kann und wird er noch viel lernen, sondern aus seinem Inneren.

Wir Eltern können dieses Selbstgefühl stärken, aber auch schwächen. Juul beschreibt dies folgendermaßen: Kleine Kinder wissen, dass sie gesehen werden wollen. Sie wollen für das gesehen werden, was sie sind, und nicht für das, was sie tun oder nicht tun. Oft loben wir Eltern unsere Kinder, indem wir sagen: „Ja, das machst du toll!“ Damit reduzieren wir das Kind auf das, was es tut. Das Kind verbindet Aufmerksamkeit mit einer bestimmten Leistung. Wenn mein Sohn mich von oben auf der Rutsche erwartungsvoll anschaut, will er nicht für seinen Mut oder seine tollen Rutschfähigkeiten beachtet werden, sondern er will nichts anderes als eine Bestätigung seiner Existenz.

Und ganz ehrlich: Tut es mir nicht auch gut, wenn ich für mein Sein und nicht nur für mein Tun beachtet werde?

Wer ein gesundes Selbstgefühl hat, hat selten Probleme mit dem Selbstvertrauen – das Gegenteil ist nicht der Fall! Diese Erkenntnis fordert mich heraus und ich will auch dich herausfordern, nicht nur das Selbstvertrauen deines Kindes zu stärken, sondern auch das Selbstgefühl. Und ganz ehrlich: Tut es mir nicht auch gut, wenn ich für mein Sein und nicht nur für mein Tun beachtet werde?

Versuche das nächste Mal, wenn dein Kind etwas Neues macht, dich stolz anschaut oder etwas von der Schule mit nach Hause bringt, nicht sein Tun zu bewerten, sondern dem Sein des Kindes Aufmerksamkeit zu geben.

Zum Beispiel, wenn dein Kind eine Bastelarbeit nach Hause bringt, sage nicht: «Wow, das hast du toll gemacht!», sondern du kannst dein Kind fragen: «Wow, hast du das selbst gemacht? Wie ist es dir gelungen? Was hat dir daran Freude bereitet? Was hast du schwierig gefunden?»

Phil Wegenstein ist verheiratet mit Corina. Zusammen haben sie einen Sohn im Alter von 20 Monaten.

Philipp arbeitet als Coach und Supervisor und begleitet Einzelpersonen und Teams darin, ihr Potenzial zu entfalten.