Wir hatten in den letzten Wochen eine turbulente Zeit – schöne Erlebnisse wie Ferien, Zeiten mit Freunden oder in der Natur wechselten sich ab mit traurigen und schwierigen Momenten. So mussten wir von meinem Schwiegervater Abschied nehmen. Und unser jüngstes Kind erlebte seine bisher schwierigsten Schulwochen mit vielen Konflikten unter den Mädchen und als Empfängerin anonymer Briefe.
Ich war im Überlebensmodus und dankbar, wenn wir alle einen weiteren Tag einigermaßen unbeschadet überstanden hatten. Jetzt werden unsere Tage langsam aber sicher wieder entspannter und alltäglicher. Nur in der Schule ist die Anspannung nach wie vor groß – die Situation kostet uns alle Kraft. Ich schwanke zwischen Ärger, Irritation und Hilflosigkeit. Aber auch meine lösungsorientierte Seite kommt wieder zum Vorschein und ich frage mich, wie ich mein Kind konstruktiv unterstützen und ihm für diese und spätere, schwierige Schulsituationen etwas Tragendes mit auf den Weg geben kann. Aber leider tappe ich im Dunklen. Denn – abgesehen von einem vorpubertären Hormonüberschuss – verstehe ich bis heute nicht, wo die Ursachen für all die Konflikte lagen und liegen.
Dann bin ich letzte Woche bei einem Vortrag auf die Frage gestoßen, welche Werte und Tugenden wir in unserer Familie hochhalten wollen. Ich überlegte: Kann ich das, was in der Schule passiert, mit etwas verbinden, das uns wichtig ist? Eines der Zehn Gebote schien mir gut zu passen: “Du sollst keine falschen Aussagen über einen deiner Mitmenschen machen”. Wie reden wir? Was sagen wir? Wann sagen wir etwas? Oder auch nicht? Über uns selbst? Über andere? Wie wäre es, wenn wir bei unseren Mitmenschen vom Guten ausgehen würden und sie verstehen wollen?
Ich fühlte mich angesprochen. Darüber nachzudenken und einzelne Situationen aus dem Schulalltag unter diesem Aspekt zu betrachten, könnte hilfreich sein. Bleibt die Frage, wie ich meinem Kind meine Gedanken mitteile. Die vielen Konflikte und auch die Briefe haben ihren Tribut gefordert. Und was von mir liebevoll und als Stärkung gemeint ist, kann bei ihr leicht anders ankommen.
Ich entscheide mich für das Notizbuch. Seit ein paar Wochen haben wir nämlich eines, das uns beiden gehört. Es liegt auf meinem Schreibtisch und darf nur von uns beiden gelesen werden. In dieses Notizbuch schreiben wir in unregelmäßigen Abständen Botschaften rein. Mal sind sie kurz, mal länger, manchmal sind es Komplimente, mal Beobachtungen, mal Fragen und Anregungen. Dieses Mal soll es eine Ermutigung sein, ehrlich, freundlich und mit einer gewissen Zurückhaltung zu kommunizieren.
Die Herausforderungen, denen unsere Kinder im Alltag begegnen, sind gute Gelegenheiten, um einen unserer Werte zu vertiefen – für die Kinder und für uns Eltern. Wir brauchen dieses bewusste Verankern von Werten in unserem Denken und unserem Herzen, damit sie unser Handeln prägen.
Gibt es aktuell eine Herausforderung in deiner Familie, die du mit einem eurer Werte verknüpfen möchtest?
Wie kannst du das angehen? Mit einem Bilderbuch, einem Rollenspiel, bei einem Outdoor-Erlebnis, im Familienrat oder einfach mal beim gemeinsamen Abwasch oder Wochenputz?
Mögliche Werte: Dankbarkeit, Ehrlichkeit, Empathie, Vergebung, Liebe zum und Freude am Leben, Selbstdisziplin, Verantwortung, Selbständigkeit, dem andern eine Freude bereiten, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Konfliktfähigkeit, Durchhaltewillen, Empathie, Höflichkeit und Freundlichkeit, Pünktlichkeit, Bescheidenheit, Rücksichtnahme, Verzicht, Fleiss, Treue, Mut, Genussfähigkeit usw.