Leonie und David sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Er öffnet gerade einen Brief und sie liest etwas auf ihrem Handy, als sie plötzlich eine tiefe Traurigkeit überkommt. Für einen kurzen Moment wird ihr bewusst, wie einsam sie sich fühlt. Obwohl ihr Partner direkt neben ihr sitzt, fühlt sie sich total alleine.
Dass Einsamkeit ein wachsendes gesellschaftliches Problem ist, ist mittlerweile bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass sich auch viele Menschen in einer Partnerschaft einsam fühlen. Betroffene sprechen nicht gerne darüber, weil sie sich dafür schämen und das Gefühl haben, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Schließlich leben sie ja in einer funktionierenden Beziehung und haben von außen betrachtet keinen guten Grund, sich einsam zu fühlen. Trotzdem geben in anonymen Umfragen mehr als ein Drittel der Befragten an, sich in der Partnerschaft manchmal oder häufig einsam zu fühlen.
Viele flüchten sich in Aktivitäten, um die Einsamkeit nicht spüren und aushalten zu müssen. Ihr Terminkalender ist randvoll, nicht nur mit Arbeit oder Kinderbetreuung, sondern auch mit Hobbys, Verabredungen oder ehrenamtlichen Engagements. Ihre Rastlosigkeit lenkt sie ab von der Einsamkeit und inneren Leere, die sich immer dann auszubreiten droht, wenn gerade mal nichts läuft.
Bei meinen Recherchen zum Thema Einsamkeit in der Beziehung bin ich auf einen Forumsbeitrag einer Frau gestoßen. Sie fühlt sich sich in ihrer Ehe einsam, aber wie viele andere hadert auch sie mit diesem Gefühl, weil in ihrer Ehe ja vieles gut zu laufen scheint. Ihr Mann kümmert sich vorbildlich um die Kinder und sie haben keine großen oder andauernden Konflikte.
Diese Dynamik ist weit verbreitet: Je weniger emotionale Verbindung zueinander da ist, desto besser spielt ein Paar seine Rollen. Eine Beziehung scheint gut zu funktionieren, aber trotzdem fühlt sich einer oder beide einsam. Paare versuchen, sich besonders vorbildlich zu verhalten, um damit die fehlende emotionale Nähe zu kompensieren. Dies führt jedoch zunehmend zu einer äußerlich intakten, innerlich aber ausgehöhlten und leblosen Beziehung.
Doch was hilft nun gegen Einsamkeit in der Beziehung? Der erste Schritt besteht darin, sich selbst einzugestehen, dass man sich so fühlt. Dazu gehört auch, diese schmerzlichen Gefühle zuzulassen, anstatt sich ständig mit irgendwelchen Aktivitäten davon abzulenken.
Danach ist es ratsam, diese Gefühle dem Partner oder der Partnerin mitzuteilen, auch wenn man sich vielleicht dafür schämt und sie selbst nicht ganz einordnen kann. Denn schon durch das Aussprechen und sich Öffnen entsteht wieder eine Verbindung. Dabei geht es auf keinen Fall darum, dem anderen Vorwürfe zu machen oder einen Schuldigen zu suchen, sondern sich ganz zu zeigen, auch in seiner Verletzlichkeit.
Als dritter Schritt kann jetzt ein gemeinsamer Schlachtplan entworfen werden, wie die Verbundenheit in der Beziehung wieder gestärkt werden kann. Statt immer mehr so zu tun, als wäre alles in Ordnung und eine Rolle zu perfektionieren, wird diese Energie besser genutzt, um eine echte Verbindung auf Herzensebene aufzubauen. Das kann beispielsweise gelingen, indem man als Paar regelmäßig das Wesentliche Zwiegespräch führt oder sich gegenseitig fragt: „Wie geht es dir – wirklich?“ Und sich dann auch die Zeit nimmt für eine ehrliche, tiefgehende (und manchmal auch verletzlich machende) Antwort.
Wenn es gelingt, auf diese Weise wieder mehr in Verbindung miteinander zu kommen, kann die Einsamkeit in der Partnerschaft bekämpft werden. Und noch mehr als das: Die schlechten Gefühle können als Ausgangspunkt und als Sprungbrett zu einer tieferen, authentischeren und lebendigeren Beziehung genutzt werden.
