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Als einer, der gerne Dinge optimiert, inspirieren mich Podcasts, die unser Leben einfacher machen. Und als einer, der gerne neue Wörter mag, bin ich letzthin über den Begriff „Affordanz“ gestolpert.

Der Begriff „Affordanz“ kommt aus der Psychologie und bedeutet übersetzt „Angebot“. Die Theorie besagt, dass jeder Gegenstand eine Anregung zum Handeln ist. Die Wahrnehmung dabei ist jeweils subjektiv. Beispiel gefällig?

Eine Tasse, die auf der Küchenablage steht, kann eine Anregung sein, sich eine Tasse Tee aufzugießen, es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen und eine Pause einzulegen. Die Tasse kann jedoch die beobachtende Person anschreien: „Räum mich in den Geschirrspüler! Räum mich in den Geschirrspüler!“. Doof nur, wenn wir dann zuerst noch den Geschirrspüler ausräumen müssen, nur um festzustellen, dass auch noch Spülsalz aufgefüllt werden müsste…

Du hast das Bild? Auf den Punkt gebracht, heißt das: Gegenstände haben eine Affordanz, welche für Mann und Frau nicht zwingend die gleiche sein müssen.

Neu ausgerüstet mit diesem wunderschönen Wort bin ich also – es ist noch nicht lange her – als zweifacher Vater in die Phase vom frühen Wochenbett gestartet und habe für zwei Wochen den ganzen Haushalt geschmissen (sonst teilen wir uns das als Paar natürlich auf). Und was soll ich sagen? Die Anzahl an Affordanzen ist unglaublich und kann sehr ermüdend sein. Die benutzte Spielecke ruft: „Mach mal Ordnung, du Sau!“. Das Bad ruft: „Hier müsste auch wieder einmal geputzt werden!“. Der ungeputzte Mittagstisch ruft: „Putz mich, bevor du dir eine Pause gönnst“. Die Aufzählung ginge unendlich weiter und „man“ ist eigentlich nie fertig. Deshalb ist es umso interessanter, wie wir mit den Affordanzen umgehen. Dazu meine persönlichen drei Learnings aus dieser Phase:

Dem Handy einen fixen Platz zuweisen, weil es die ganze Zeit schreit: „Nimm mich! Nimm mich! Vielleicht hast du eine ganz wichtige Nachricht verpasst!“ Das Handy haben wir nicht mehr auf dem Sideboard im Gang (wo man die ganze Zeit daran vorbeiläuft), sondern im Sideboard aus unserem Blickwinkel verbannt. Die Handy-Verbannung funktioniert übrigens auch sehr gut am Arbeitsplatz.

Eine Not-To-Do-Liste erstellen: Die Unmenge an Affordanzen kann einem richtiggehend lähmen und man droht dann in einen Nichtstun-Modus zu verfallen. Was uns dagegen hilft: Am Vorabend 2-3 To-dos für den nächsten Tag oder die kommende Woche auf ein Post-it aufschreiben und sich „nur“ auf diese Punkte konzentrieren (eine Übernacht für den Camper in Australien buchen, Termin mit der Autogarage vereinbaren, ein Fach im Kühlschrank putzen). Wenn die Aufgabe erledigt ist: Task abhaken und „feiern“. Für Fortgeschrittene: Eine Not-To-Do-Liste erstellen (neuer Job suchen, Windeln bestellen, Mails beantworten). Diese Liste hilft, Dinge aufzuschreiben, die man eben NICHT macht oder (noch) nicht machen will. Dies hilft, fokussiert zu bleiben und den Affordanzen in unserem Alltag zu begegnen.

Gemeinsame Standards wieder neu setzen und verhandeln: Als Fan von In-Phasen-planen ist es besonders wichtig, sich bewusst zu machen, wann eine neue Phase beginnt und vor allem wann eine alte Phase beendet ist. Uns hilft es mega, wenn wir jeweils gemeinsame Standards aushandeln, wie sauber unsere Wohnung sein soll und wer für welchen Bereich zuständig ist. Damit gelingt es uns gut, sich abzugrenzen und die Affordanzen aus dem Bereich des Partners / der Partnerin auszublenden (not my job, not my business). Hilfreich für uns ist zum Beispiel, das Putzen zeitlich zu limitieren (damit wir überhaupt ins Tun kommen) und dafür regelmäßig zu erledigen.

Wichtig scheint mir auch, dass man sich die Fähigkeit des Wegschauens bewusst aneignet. Nur weil ein Gegenstand „schreit“, heißt das noch lange nicht, dass man sich darum kümmern muss. Hier gilt es, sich bewusst abzugrenzen und den inneren Antreiber zu stummzuschalten.

Welche Gegenstände in deinem Zuhause „schreien“ dich an und „fordern“ eine sofortige Handlung von dir? Welche Gegenstände sind dir „zu nah“? Möchtest du sie für eine Testphase bewusst aus deinem Blickfeld nehmen? Wo möchtest du gerne das Wegschauen trainieren? 

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