Wenn es auf die Hochzeit zugeht, werden selbst Leute fromm, die sonst nichts mit Gott am Hut haben. Ein Trauvers aus der Bibel muss her. Einer, bei dem es nicht so sehr um diesen Gott, sondern vielmehr um die Liebe geht. Da drängt sich natürlich ein bekannter Vers auf: „Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht verbissen, sie prahlt nicht und schaut nicht auf andere herab. Liebe verletzt nicht den Anstand und sucht nicht den eigenen Vorteil, sie lässt sich nicht reizen und ist nicht nachtragend. Sie freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Liebe nimmt alles auf sich, sie verliert nie den Glauben oder die Hoffnung und hält durch bis zum Ende. Die Liebe wird niemals vergehen.“
Ach wie schön! Und so romantisch! Aber wenn man es genauer liest, ist es auch etwas beängstigend und widerspricht in einigen Punkten unserer Intuition und Vorstellung der perfekten Liebe. Sollte es nicht viel eher heißen: „Liebe ist gerecht. Wenn der andere einem etwas Gutes tut, soll man den Gefallen retournieren. Keiner soll zu kurz kommen und beide sollen gleichermaßen von der Liebe profitieren.“?
Ich glaube, dass Liebesbeziehungen weder fair noch gerecht sind. Und dass deshalb die Vorstellung einer Beziehung, die auf Ausgleich ausgerichtet ist, in die Irre führt. Wer die Liebe als Transaktion versteht, bei der sich Geben und Nehmen immer die Waage halten müssen, wird selbst immer weniger Vertrauensvorschuss geben und weniger in die Beziehung investieren.
In einer gelingenden Beziehung dürfen die beiden Partner nicht auf permanenten Ausgleich aus sein, sondern ohne Buchhaltung vor dem inneren Auge und manchmal auch unverhältnismäßig in ihre Liebe investieren. Sie geben Zeit, Liebe, Energie, Aufmerksamkeit und Vergebung, ohne dass es die Partnerin verdient hätte. Wer beginnt, mit Freude seinen Partner zu lieben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, wird eine ganz neue Dynamik in der Beziehung erleben.
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NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:
Gibt es einen Beziehungsbereich, in welchem du dich gerade zurückziehst, weil du selbst zu wenig zu bekommen glaubst?