Christina ist ein Beziehungsmensch. Sie liebt es, mit ihren Freundinnen auszutauschen und sich in andere Menschen zu investieren. Eines Tages zieht sie mit ihrem Mann in ein einsames Haus auf dem Land. Es war der Wunsch ihres Mannes. Das Haus und der riesige Garten brauchen viel Pflege. Christina arbeitet oft allein im und um das Haus und trifft sich kaum mehr mit anderen Leuten.

Peter ist eher nicht so der Risikotyp. Er schätzt die Sicherheit und Vorhersehbarkeit seines jetzigen Lebens. Seine Frau ist Ärztin und es war schon immer ihr Lebenstraum, in Krisengebieten zu arbeiten und von einem Krieg betroffene Menschen medizinisch zu versorgen. Seiner Frau zuliebe lässt sich Peter darauf ein und sie beginnt ihre Arbeit bei einer medizinischen Hilfsorganisation. Sie reisen nun zusammen von einem Krisenherd zum nächsten.

Man braucht keine besondere Begabung, um vorauszusagen, dass diese beiden Geschichten kaum gut enden werden. Christina und Peter bewegen sich zu weit außerhalb der Grenzen, die ihnen ihre Persönlichkeiten vorgeben.

Jeder Mensch ist als Individuum geschaffen und hat eine einzigartige Kombination von Vorlieben, Stärken, Schwächen, Erfahrungen und Bedürfnissen, die zusammen seine Persönlichkeit ausmachen. Wer seine eigene Persönlichkeit ständig und über eine lange Zeit hinweg ignoriert und sich dem anderen zuliebe verbiegt, gleicht einem Ast, der nach vorne gebogen wird. Er kann in eine ganz andere Richtung zeigen, als er es natürlicherweise machen würde. Doch er steht auch dauernd unter Spannung. Sobald der Ast losgelassen wird, schnellt er unkontrolliert und wuchtig zurück, meist weit über den Ausgangspunkt hinaus. Alles und alle, die dann in der Bahn dieses Astes stehen, bekommen einen gehörigen Schlag verpasst.

Glücklicherweise haben wir alle einen gewissen Spielraum zur Verfügung, in dem wir uns bewegen können, ohne uns zu verbiegen. Auch wenn wir nicht gerne um Menschen herum sind, können wir uns auf einzelne Besuche einlassen. Wir müssen ja nicht gerade in einer großen Wohngemeinschaft leben. Und wenn wir nicht ebenso gerne Sport treiben wie unser Partner, können wir trotzdem Freude an einem Skitag oder einer kurzen Wanderung am Abend entwickeln. Der Marathonlauf am Wochenende können wir dann ohne schlechtes Gewissen dem Partner überlassen. Und im gemeinsamen Haushalt müssen wir uns engagieren, auch wenn wir uns nicht als praktisch veranlagt sehen und uns zu höheren Tätigkeiten berufen fühlen.

In einer Partnerschaft ist es wichtig, dass wir diesen Spielraum ausnutzen und unserem Partner entgegenkommen. Dabei müssen wir darauf achten, dass wir unsere eigene Persönlichkeit nicht komplett übergehen und uns nicht dem Partner zuliebe verbiegen. Denn langfristig tun wir damit niemandem einen Gefallen. Die Kunst besteht darin, entgegenzukommen, ohne sich zu verbiegen.

Oder um im Bild der Äste zu bleiben: Wir können uns im Wind bewegen und über die Jahre zueinander hinwachsen, ohne uns so stark zu verbiegen, dass wir irgendwann die Spannung nicht mehr ertragen und zurückschnellen müssen.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:
Sprich mit deinem Gegenüber darüber, in welchen Lebensbereichen ihr gefährdet seid, euch zu wenig entgegenzukommen oder euch zu verbiegen.