Fabienne hat schon als Kind gelernt, dass Konflikte bedrohlich sind. Wenn ihre Eltern gestritten haben, stellten sie jeweils ihre Partnerschaft grundsätzlich infrage. Sie diskutierten lautstark, ob es so noch Sinn macht, zusammenzubleiben.
Deshalb bedeutet für Fabienne ein Konflikt mit ihrem Mann auch noch heute, dass ihre Ehe in akuter Gefahr ist. Aus diesem Grund will sie Meinungsverschiedenheiten um jeden Preis vermeiden. Lieber eine aus ihrer Sicht schlechte Entscheidung schweigend mittragen, als einen Konflikt zu riskieren. Fabienne ist froh, wenn sie sich nicht exponieren und keine Verantwortung übernehmen muss.
Fabiennes Mann Manuel klagt in letzter Zeit allerdings vermehrt, dass er sich alleingelassen fühle. Er sagt, dass er Fabienne immer weniger spüre und dass er sich wünschte, dass sie auch mal ihre Meinung sagen würde. Er wolle wieder ein echtes Gegenüber. Manchmal erscheint ihm Fabienne wie ein kleines Hündchen, das er an der Leine führt. Diese Vorstellung behagt ihm nicht, er hat sich immer eine «Partnerschaft auf Augenhöhe» gewünscht.
Manuels wachsende Unzufriedenheit lässt auch Fabienne nicht kalt. Sie denkt lange darüber nach. Sich selbst gegenüber rechtfertigt sie sich damit, dass sie sich ihrem Mann unterordne. Und das sei schließlich gut für ihre Ehe.
Fabiennes Verhalten würde ich nicht als Unterordnung, sondern als Unterwerfung bezeichnen. Es gibt gewichtige Unterschiede zwischen gesunder Unterordnung und ungesunder Unterwerfung. Man könnte sogar behaupten, die beiden Begriffe seien in gewisser Weise Gegenteile.
Fabienne vernachlässigt ihre eigenen Bedürfnisse, weil sie Konflikte vermeiden will. Sie gibt nach, um die Harmonie aufrechtzuerhalten. Auch wenn ihr Verhalten auf den ersten Blick selbstlos wirkt, ist es tatsächlich auf ihren eigenen Vorteil ausgerichtet: nämlich auf das Vermeiden von für sie unangenehmen Situationen. Unterwerfung ist als Selbstlosigkeit getarnter Egoismus.
Unterordnung hingegen funktioniert anders. Wer sich unterordnet, entscheidet sich freiwillig dazu, seine eigenen Vorstellungen und Wünsche zugunsten des Partners zurückzustellen. Er lässt dem Gegenüber bewusst Raum zur Entfaltung. Er hat das Beste für den anderen und nicht für sich selbst im Blick. Unterordnung geschieht aus einer Position der Stärke und nicht aus Feigheit, weil man sich vor der Reaktion des anderen fürchtet oder keine Verantwortung übernehmen mag.
Gegenseitige Unterordnung in einer Partnerschaft ist in Verruf geraten. Vielleicht auch deshalb, weil sie zu oft mit Unterwerfung verwechselt wird. Doch wenn beide Partner gelernt haben, sich und ihre Bedürfnisse auf eine gute Art einzubringen und dabei Meinungsverschiedenheiten auszuhalten, ist gegenseitige Unterordnung ein Erfolgsrezept für Beziehungen.
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