Immer wieder begegnet man dem Ratschlag, man müsse sich in die Partnerin hineinversetzen, wenn man erfolgreich durch das Minenfeld der partnerschaftlichen Kommunikation navigieren will.
Sich in den anderen hineinzuversetzen hilft zwar wahrzunehmen, dass es überhaupt noch eine andere Perspektive als die eigene gibt. Doch dieser Ansatz birgt auch eine Gefahr: Wir sind nämlich ausgesprochen schlecht darin, die Perspektive von jemand anderem zu übernehmen.
In einem Versuch haben Wissenschaftler Liebespaare gebeten, die Einstellung ihres Partners zu bestimmten Themen vorherzusagen. Eine Gruppe musste versuchen, sich in den Partner hineinzuversetzen, ehe sie ihre Einschätzungen abgaben. Eine Kontrollgruppe tat das Gleiche, ohne sich zuvor in den Partner hineinzuversetzen.
Das Ergebnis war ernüchternd. Die Personen, die ermutigt wurden, die Perspektive des Partners einzunehmen, bevor sie dessen Einstellungen einschätzten, schätzten kein bisschen besser als die Personen der Kontrollgruppe. Tatsächlich waren ihre Einschätzungen sogar etwas ungenauer.
Eine dritte Gruppe durfte ihre Partner zu den Themen befragen, bevor sie ihre Einschätzungen abgeben mussten. Natürlich schnitten diese mit grossem Abstand am besten ab.
Interessanterweise sind wohl die Einzigen, die von diesen Ergebnissen überrascht sind, die Paare, die tatsächlich am Experiment teilgenommen haben. Als sie nämlich gefragt wurden, wie gut sie meinen, die Einstellungen des Partners getippt zu haben, schätzten sich die Paare aus allen drei Gruppen fast gleich ein. Obwohl ihre Genauigkeit nur halb so gut war, hielten sich diejenigen, die sich die Perspektive ihres Partners vorstellten, für fast gleich gut wie diejenigen, die ihren Partner befragen durften. Sie überschätzten also ihre tatsächlichen Fähigkeiten zur Perspektivübernahme massiv. Und das ist das eigentliche Problem.
Wenn wir also versuchen, uns in den anderen hineinzuversetzen, werden wir dessen tatsächliche Perspektive nicht wirklich besser verstehen – aber das Gefühl haben, wir tun es. Mit voller Überzeugung falschzuliegen ist eine denkbar ungünstige Voraussetzung für eine Partnerschaft.
Zum Glück liegt die Lösung auf der Hand. Wir sollten einander einfach fragen, statt uns in den anderen hineinzuversetzen und ihn so zu verstehen versuchen. In Jakobus 1,19 steht: «Jeder sei schnell bereit zu hören, aber jeder lasse sich Zeit, ehe er redet, und erst recht, ehe er zornig wird.» Oder anders ausgedrückt: Wir sollten fragen und dann einfach die Klappe halten und zuhören.
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