Welche Fragen sollte man bei einem Speeddating stellen? Ich hab’s gegoogelt. Die besten Fragen haben alle etwas gemeinsam: Sie zielen darauf ab, schnell abschätzen zu können, ob einem das Gegenüber unter- oder überlegen ist. Dazu werden Fragen gestellt, bei denen der Gesprächspartner beispielsweise seine Intelligenz, persönliche Reife, Reichtum, sozialer Status oder die Fähigkeit, sich in einen Partner einzufühlen, belegen kann. So findet man heraus, ob mit dieser Person eine Beziehung auf Augenhöhe möglich ist. Eine Beziehung, die von Gleichwertigkeit geprägt ist.

Die Gleichwertigkeit in einer Partnerschaft hängt in erster Linie vom Selbstwertgefühl der beiden Partner ab. Jürg Willi, der Pionier der Paartherapie im deutschsprachigen Raum, spricht von der Gleichwertigkeitsbalance und meint damit „nicht das Gleichsein in Verhalten und Funktionen, sondern die Ebenbürtigkeit der Partner im Selbstwertgefühl.“

Bei der Partnerwahl achten wir intuitiv darauf, dass wir beide ein ähnliches Selbstwertgefühl haben. In aller Regel wählen wir keinen Partner, der uns in seiner Persönlichkeitsentwicklung weit überlegen ist, da wir uns ihm nicht gewachsen fühlten und die Gefahr bestünde, dass wir in der Beziehung untergingen. Auch mit einer Person, die uns deutlich unterlegen ist, vermeiden wir eine enge Beziehung, da wir spüren, dass diese Beziehung eher kümmerlich und schmalspurig bleiben würde.

Im Verlauf einer Partnerschaft kann dieses Gleichgewicht gestört werden. Als Katja und Oliver ihr erstes Kind bekommen, entscheiden sie sich, dass Katja ihr Arbeitspensum reduzieren wird, um mehr Zeit für die Kinderbetreuung einzusetzen. Während Oliver weiterhin voll berufstätig ist und dort prestigeträchtige Erfolge einfährt, muss sie immer wieder die Frage beantworten, ob sie denn nur Hausfrau sei und wann sie wieder einsteigen wolle. Mit der Zeit verschiebt sich auch innerhalb ihrer Partnerschaft die Wahrnehmung. Beide finden Olivers Leistungen etwas Besonderes, Katjas hingegen ganz normal und selbstverständlich. Deshalb bewegen sich ihre Selbstwertgefühle auseinander und die Gleichwertigkeitsbalance wird gestört.

Für Katja und Oliver ist das bedrohlich. Sie will keinen überlegenen Partner, er keine unterlegene Partnerin. Deshalb versucht sie, ihn von seinem hohen Ross herunterzuholen. Sie nutzt dazu destruktive Mittel wie abwerten und nörgeln. Später kommen eisernes Schweigen oder emotionale Ausbrüche dazu. Die Versuche, seine Entwicklung zu behindern und sein Selbstwertgefühl nach unten zu zwingen, werden aber nicht dazu führen, dass ihr Selbstwertgefühl wieder steigt.

Oliver seinerseits lässt sich aus Schuldgefühlen alles bieten von seiner Frau. Er lässt sich herumkommandieren und vermeidet alles, was bei ihr das Gefühl von Unterlegenheit verstärken könnte. Unbewusst boykottiert er auch seinen eigenen beruflichen Erfolg, damit die Schere nicht noch weiter aufgeht. Doch auch das ist keine nachhaltige Lösung.

Solche destruktiven Angleichungsversuche sind leider der Normalfall. Vermeiden kann man sie nur durch eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema Gleichwertigkeit. Dann gibt es zwei Auswege: Entweder man verändert etwas an der Lebenssituation oder Aufgabenteilung, die zu diesem Ungleichgewicht geführt haben – oder es gelingt, die Eigenschaften und Beiträge beider Partner (wieder) anders zu gewichten. Diese wiegen in einer Partnerschaft nämlich das, was sie einem selbst und dem Partner wert sind.

Katjas reife Persönlichkeit zum Beispiel stärkt ihren Selbstwert nur so stark, wie diese Qualität auch von ihr selbst und von Oliver gewichtet und wertgeschätzt wird. Wenn er realisieren würde, dass die Beziehung ohne ihre Reife scheitern würde, würde diese Eigenschaft in ihrer Partnerschaft mehr Gewicht erhalten. Und das würde dazu beitragen, dass sich das Selbstwertgefühl der beiden wieder angleicht, ohne dass sie dazu destruktive Mittel einsetzen müssen.

 

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