FAMILYLIFE
Engagieren

Am 12. Geburtstag unserer Jüngsten kam ihr Patenonkel mit seiner jüngsten Tochter zu Besuch. Die beiden Mädchen unterhielten sich prächtig – beim Essen unter anderem darüber, dass ihre Väter nun wirklich peinlich seien. Die Details, die zu diesem Urteil führten, lasse ich hier weg. Ich musste grinsen; das hatten wir doch schon mal. Die beiden Mädchen entwickeln sich also prächtig und verhalten sich völlig altersgemäß. In ihrem Gehirn, das in den nächsten Jahren einer Baustelle gleichen wird, übernehmen neue, bisher noch nicht dominante Gefühle die Führung. Zwei Wochen nach ihrem Geburtstag fand in ihrer Schule ein Fest zum Schuljahresende statt, zu dem auch wir Eltern eingeladen waren. Am Mittag vor dem Fest nahm sie mich beiseite: “Mama, ich möchte nicht, dass du heute Abend mit einer meiner Lehrerinnen sprichst”, sagte sie. Ich versprach ihr, dass ich mich bemühen würde.

Lustigerweise läuft gerade im Kino der Film “Alles steht Kopf 2”, in dem es um die Gefühlswelt eines 13-jährigen Mädchens geht und der das Erleben unserer Tochter ziemlich gut auf den Punkt bringt.

Gefühle spielen bei Kindern natürlich von Anfang an eine Rolle, nicht erst in der (Vor-)Pubertät. Das wird uns immer dann bewusst, wenn die Kinder diese Gefühle nicht kontrollieren können. Oder um es in der Bildsprache des Films auszudrücken: Wenn sich die dort personalisierten Gefühle nicht einig sind, wer wie die Schaltzentrale im Gehirn der Hauptperson bedienen soll oder wenn gewisse Gefühle weggesperrt werden und andere nicht zu bremsen sind. Der Film ist absolut sehenswert – für Eltern und Kinder. Wer die Vorgänge in der Schaltzentrale nicht ganz nachvollziehen kann (wie ich), dem sei gesagt: Auch im wirklichen Leben werden wir Eltern nicht immer alles verstehen, was in unseren Kindern vor sich geht. Aber egal, ob bei ihnen Gefühle wie Freude, Wut, Angst oder Ekel dominieren oder später Zweifel, Peinlichkeit, Neid oder Gelangweilt-Sein: Viel wichtiger ist es, dass wir die Kinder in diesen für sie intensiven Erfahrungen so begleiten, dass sie sich gehört, gesehen, verstanden und angenommen fühlen. Diese Begleitung wird von Experten auch als Emotionscoaching bezeichnet und umfasst fünf relevante Schritte: 

Es hilft, wenn wir uns der Emotionen unseres Kindes bewusst sind (1) und im Gefühlsausdruck einen Moment erkennen, in dem sich das Kind mit uns verbinden möchte (2). Diese Verbindung stellen wir her, indem wir einfühlsam zuhören (3) und dem Kind helfen, seine Gefühle zu benennen (4). Oft ist damit das Problem gelöst und das Kind kann weitergehen.

In bestimmten Situationen aber ist es jedoch Teil der Begleitung, als fünften Schritt Grenzen zu setzen. Es ist wichtig, die Schritte 1 bis 4 möglichst vorher zu durchlaufen. Wenn mein Kind beispielsweise gegenüber seinen Geschwistern aggressiv wird, ist es hilfreich, ihm zuzuhören und seine Erfahrungen zu bestätigen, bevor ich Grenzen in Bezug auf sein aggressives Verhalten setze. Das könnte so klingen: „Du warst wirklich wütend auf deine Schwester, weil sie durch deine Legosteine gelaufen ist und deine Burg kaputt gemacht hat. Du hast lange daran gebaut. Ich verstehe das und es tut mir leid, dass das passiert ist. Ich kann nicht zulassen, dass du deine Schwester schubst, wenn du wütend bist, aber lass uns über andere Dinge nachdenken, die du tun kannst, wenn du wütend bist.“

Damit schaffen wir eine Grundlage für Verbundenheit, Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit. Das Kind fühlt sich gesehen und unterstützt. Es kann aufatmen und sich den Raum nehmen, seine innere Welt und Erfahrungen zu anerkennen und wertzuschätzen, ohne von außen oder innen beurteilt oder kritisiert zu werden.

Im Film erlebt die Hauptfigur Riley eine Angstattacke mit allem, was dazu gehört – Herzrasen, Schweißausbrüche und intensives kognitives Grübeln darüber, wer sie als Person ist. Ihr Selbstgefühl (vgl. Spielplatzerkenntnis) ist in diesem Moment bedroht, weil sie das überwältigende Gefühl der Angst am liebsten ausblenden würde. Jüngere Kinder verstecken ihre Gefühle nicht, ältere hingegen schon – wir leben es ihnen oft vor. Gesund wäre es, wenn wir unseren Kindern erlauben würden, alle Gefühle und Gedanken, die sie haben, vollständig zu erleben. Damit sie akzeptieren können, was ist. Mit allem, was sie sind, akzeptiert zu werden, ist das, wonach sie sich sehnen und was sie sich wünschen.

Welche Gefühle kannst du bei dir selbst leicht zulassen? Welche fallen dir schwer? 
Welche Gefühle kannst du bei deinen Kindern gut zulassen? Bei welchen fällt es dir schwer? Warum?
Versuche in der nächsten Zeit, auch die schwierigen Gefühle zuzulassen, zu begleiten und dann den fünften und letzten Schritt (Grenzen setzen, um der Herausforderung / dem Problem zu begegnen) anzuwenden.

Ähnliche Artikel