FAMILYLIFE
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„Wieso hast du die Wäsche nicht aus der Maschine genommen? Ich habe dir extra noch gesagt, dass du sie aufhängen sollst!“, schreit Annina durch die Wohnung. „Ist das etwa zu viel verlangt? Deine Unzuverlässigkeit kotzt mich an. Hast du eigentlich das Gefühl, ich sei deine Magd? Du kannst mich mal!“

Luca findet Anninas Reaktion maßlos übertrieben. Ist es denn ein Weltuntergang, dass er im ganzen Kindertrubel die Wäsche vergessen hat? Genervt ruft er aus dem Wohnzimmer zurück: „Du übertreibst völlig. Du machst wieder ein Riesendrama um eine Kleinigkeit. Wenn ich immer gleich so reagieren würde, wenn mir mal etwas nicht passt …“

Luca macht hier eine folgenschwere Verwechslung: Er verwechselt Ursache und Auslöser. Diesen Denkfehler machen wir alle immer wieder. Deshalb fällt es uns auch leichter, uns mit Luca zu identifizieren als mit Annina.

Der Auslöser ist in diesem Fall die liegen gebliebene Wäsche. Die Ursache von Anninas Verhalten liegt jedoch viel tiefer: Wenn Anninas Mutter ihren Vater um etwas gebeten hat, hat dieser jeweils genickt und „ja, ja, mach ich“ gesagt. Schlussendlich hat er es dann aber doch fast nie gemacht. Immer kam etwas dazwischen, das wichtiger war. Annina merkte schon als Kind, dass die Bedürfnisse ihrer Mutter ihrem Vater nicht wichtig waren. Sie war wütend auf ihren Vater und für sie war klar, dass sie selbst nie in einer so einseitigen Ehe enden wollte. Diese Geschichte und die damit verbundenen Gefühle kamen automatisch wieder hoch, als Annina vor der immer noch vollen Waschmaschine stand.

Wir sehen normalerweise nur den Auslöser und nicht die Ursache eines Verhaltens. Wenn die Reaktion dann nicht in einem aus unserer Sicht angemessenen Verhältnis zum Auslöser steht, finden wir das übertrieben oder hysterisch.

Doch es ist nicht an uns zu beurteilen, ob eine Reaktion angemessen ist. Es ist an uns zu verstehen, weshalb eine Situation beim Gegenüber eine starke Reaktion ausgelöst hat. Dazu müssen wir mit dem anderen zusammen liebevoll auf Ursachenforschung gehen. Wenn wir dann die Ursachen kennen, erscheint uns die Reaktion meistens nicht mehr übertrieben.

Wenn sich Luca auf den Auslöser konzentriert und Annina ein „du übertreibst völlig“ an den Kopf wirft, fühlt sich Annina unverstanden, wird aber das nächste Mal nicht anders reagieren können, da die Ursache im Hintergrund weiter wirksam bleibt. Die Ursache kann nur dann heilen und inaktiviert werden, wenn sie erkannt und verständnisvoll angehört wird. Dann kann sie mit der Zeit durch andere, bessere Erfahrungen ersetzt werden.

„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.“ Davon können wir uns eine Scheibe abschneiden. Wenn wir nicht beim offensichtlichen Auslöser stehen bleiben, sondern uns für die verborgene Ursache dahinter interessieren, werden wir einander mit mehr Verständnis und Liebe begegnen können.

 

NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
Wo hat dein Gegenüber in letzter Zeit „übertrieben“ reagiert? Was war der Auslöser, was die Ursache?

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