FAMILYLIFE
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Gedankenverloren blättert Alessia in einem Magazin. Sie fragt sich, wie es so weit kommen konnte. Wie konnte sie sich so in Simon getäuscht haben? Wie konnte sie nur all seine problematischen Seiten übersehen haben? Und weshalb hat ihre Liebe zueinander in wenigen Jahren in gegenseitige Verachtung umgeschlagen?

Spulen wir ein paar Jahre zurück, in eine Zeit, als Alessia und Simon noch frisch verliebt waren. Simon war charmant und ein wunderbarer Zuhörer, Alessia war humorvoll und intelligent. Beide fühlten sich wertgeschätzt und geborgen in ihrer Beziehung. Je mehr Simon von Alessia geliebt wurde, umso mehr wollte er auch ihr Gutes tun. Und das wiederum führte dazu, dass auch sie ihn besonders gut behandeln wollte.

Die Veränderung kam schleichend. Vermutlich begann es damit, dass Simon mehr arbeitete, als Alessia sich das vorgestellt hatte. Sie hätte sich mehr gemeinsame Zeit gewünscht und es beschlich sie das Gefühl, dass ihm seine Arbeit wichtiger sei als ihre Beziehung.

Als sie darüber sprachen, gelobte Simon jeweils Besserung. Doch er hielt die getroffenen Abmachungen nicht lange ein. Das führte dazu, dass Alessia nun zu anderen Maßnahmen griff. Ab sofort galt: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Immer wenn er zu spät von der Arbeit kam, war sie eingeschnappt. Wenn sie an solchen Abenden überhaupt noch etwas sagte, waren es schnippische Kommentare und Nörgeleien.

Diese Bestrafung funktionierte eine Weile lang ganz gut. Simon musste gut abwägen, ob er eine Stunde länger arbeiten wollte, wenn er dann dafür den Rest des Abends mit einer nörgelnden Frau verbringen musste. Doch es dauerte nicht lange, bis auch er sich zur Wehr setzte. Ihre Bestrafung löste Gegenmaßnahmen aus. Wie bei vielen Paaren führte auch bei ihnen Druck zu Gegendruck statt zur beabsichtigten Verhaltensänderung. Wenn immer sie nun schmollte, machte er auf dem Absatz kehrt und ging in eine Bar. Das musste er sich doch nicht bieten lassen.

Natürlich blieb es nicht dabei. Es entstand ein wüster Machtkampf, in dem beide den anderen für seine Bestrafung bestrafen wollten. Beide setzten nochmals und nochmals einen drauf, um zu gewinnen. Während sich diese Abwärtsspirale immer schneller drehte, begannen sie sich auch mit anderen Augen zu sehen. Sie dachten, dass sie jetzt erst das wahre Gesicht des anderen erkannten. In Wahrheit war er nämlich ein egoistischer Fiesling und sie eine nörgelnde Klette.

Selbstverständlich ist dieses Beispiel zugespitzt und sind es ganz unterschiedliche Themen, an denen sich Paarkonflikte entzünden können. Doch bei vielen Paaren kippt die anfänglich nach oben drehende Spirale von gegenseitiger Unterstützung, Liebe und Geborgenheit und wird zu einer Negativspirale von gegenseitiger Bestrafung und Rache.

Weil diese Negativspirale immer mit einem Fokus auf die negativen Eigenschaften des Partners einhergeht, ist das auch ein vielversprechender Ansatzpunkt, um den Kreislauf zu durchbrechen. Wenn es Simon und Alessia gelingen würde, ihre Aufmerksamkeit wieder vermehrt auf die guten Eigenschaften und beziehungsfördernden Handlungen des anderen zu lenken, könnten sie aussteigen. Sie werden dann die kleinen Beziehungsangebote (auch Schiebetüren genannt) des Gegenübers wieder wahrnehmen, die trotz allem noch da sind. Und das ist die Grundlage, um auch wieder auf das eine oder andere davon einzusteigen.

 

NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
Beobachte dein Gegenüber besonders aufmerksam und notiere dir, welche auch noch so kleinen positiven Eigenschaften und Verhaltensweisen dir auffallen.

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