Einmal mehr streiten Sophie und Kevin über ihr Wochenendprogramm. Sollen sie zur Grillparty ihrer Freunde gehen oder nicht? Die extrovertierte Sophie ist gerne unter Leuten und möchte unbedingt gehen. Kevin dagegen würde es sich lieber auf dem Sofa bequem machen und zusammen eine weitere Folge ihrer Lieblingsserie schauen.
„Wir waren schon ewig nicht mehr unter Leuten, ich bin in letzter Zeit so oft mit dir zu Hause geblieben“, sagt Sophie.
Kevin antwortet: „Du kannst gerne auch allein gehen. Ich will nicht, dass du nur meinetwegen daheimbleibst.“
Sophie: „Nun komm schon, sei kein Stubenhocker. Tom ist auch dort, es wird dir sicher gefallen.“
Kevin verdreht die Augen und seufzt: „Wenn es dir so wichtig ist, komm ich halt mit.“
Sophie: „Ja, mir ist es wichtig. Aber wenn es für dich ein so großes Opfer ist und du dich so verhältst, lassen wir es lieber bleiben und machen einmal mehr dein Programm.“
Kevin: „Was ist denn dein Problem? Ich habe ja gesagt, dass ich mitkomme.“
Sie sind gefangen in einer Lose-Lose-Situation. Ganz egal, ob sie nun gehen oder nicht, es wird nicht schön werden. Wenn sie zu Hause bleiben, hat Sophie ihre Wünsche seinetwegen zurückgestellt. Gehen sie hingegen zur Grillparty, geht Kevin nur ihr zuliebe mit. Beide würden ihrem Gegenüber deutlich zu spüren geben, dass sie die Märtyrer sind und sie sich und ihre Vorstellungen auf dem Scheiterhaufen der Ehe geopfert haben.
Solche Situationen kennen sie auch aus anderen Beziehungsbereichen. Wenn es beispielsweise darum geht, wie sie Sex haben wollen, landen sie ganz oft an einem ähnlichen Punkt. Entweder machen sie es auf Kevins Art (und dabei ist Sophie eingeschnappt), oder sie machen es wie Sophie will (und dann ist Kevin nur halbherzig mit dabei).
Kevins und Sophies Kompromisse funktionieren nach diesem Schema: Wenn ich meine Wünsche aufgebe, habe ich verloren und ärgere mich über deinen Egoismus. Wenn ich mich hingegen durchsetze, bin ich egoistisch und muss damit rechnen, dass du mir dafür Schuldgefühle machst und mich mit Verachtung strafst.
Eine Lösung für diese Art von Konflikten besteht darin, sie nicht mehr als «dein Bedürfnis gegen mein Bedürfnis» zu betrachten. Tatsächlich geht es um zwei meiner eigenen Bedürfnisse, die einander gegenüberstehen. Wenn wir einander lieben, ist es nämlich auch unser Bedürfnis, dass es dem anderen gut geht. Wir wollen also auch selbst, dass der andere auf seine Kosten kommt. Deshalb sind wir auch so empfänglich für Schuldgefühle, wenn das nicht gelingt. Es geht also eigentlich um mein eigenes Bedürfnis gegen mein Bedürfnis, dass es meinem Gegenüber gut geht.
Wenn Sophie und Kevin die Sache so angehen und anerkennen, dass sie beide auch wollen, dass der Wunsch des anderen erfüllt wird, werden sie nicht mehr so leicht in diese Lose-Lose-Falle tappen.
Sophie: „Ich würde schon gerne gehen, aber ich weiß auch, dass du dich zu Hause besser entspannen könntest.“
Kevin: „Das stimmt. Aber ich möchte dich auch nicht zurückhalten. Du brauchst Leute um dich.“
Nach einem solchen Gesprächsstart sind sie nicht mehr in diesem Rennen darum, wer denn dieses Mal der Ehe-Märtyrer sein darf, sondern auf dem Weg zu einer Win-Win-Situation. Egal was sie schlussendlich machen, beide sind Gewinner, weil von beiden ein Bedürfnis befriedigt wird. So wird es ihnen gelingen, mal die Wünsche des einen und dann wieder die Wünsche des anderen zu berücksichtigen und so für einen guten Ausgleich zu sorgen.
NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
In welchen Lose-Lose-Situationen landet ihr jeweils? Könnte es helfen, wenn ihr den Konflikt nicht als meine Wünsche gegen deine Wünsche betrachten würdet?