Die gemeinsame Zeit als Familie am Esstisch kann eine der anstrengendsten Zeiten des Tages sein. Vor wenigen Wochen kochte ich ein leckeres Wintermenü mit Hirse. Meine Frau kam von der Arbeit zurück und mit unseren drei Kindern setzten wir uns an den Esstisch. Der Bauch knurrte, das Energielevel war auf einem Tagestief und die Nerven waren vom Kochen mit drei Kleinkindern besonders arg strapaziert. Und mit den Rüebli im Wintermenü war der Konflikt mit unserem Ältesten vorprogrammiert. Er schaute in den Teller und meinte: “Das hani ned gärn. Woti ned ässe.” Ich sah das anders und meinte gereizt: “Du isst, was im Teller ist.”
Um die Zeit am Esstisch besonders erholsam zu gestalten, gäbe es eine einfache Lösung: Teigwaren mit Käse. Unsere Kids wären zufrieden und wir Eltern hätten eine ruhige Zeit. Als Vater komme ich immer wieder an meine Grenzen. Vielfach fühlt es sich nach einem Machtkampf und nicht nach einem Miteinander mit meinen Kindern an. Nachdem die Kinder im Bett waren, stellte ich mir die Frage: Muss mein Sohn wirklich alles im Teller aufessen? Wie viele Löffel sind ein Muss? Oder darf das Kind auch einfach nichts essen? Solche Auseinandersetzungen oder Machtkämpfe kommen in meinem Alltag häufig vor. “Zieh diese Jacke an. Mach vorwärts, wir müssen jetzt gehen. Trink das Glas aus.” Immer wieder kommt es zu Tränen bei den Kindern. Ich werde laut und emotionsgeladen. Und das manchmal nur wegen einer unterschiedlichen Jacken-Priorität.
“Bevor ich gehen möchte, informiere ich die spielenden Kinder im Sandkasten, dass ich in wenigen Minuten aufbrechen möchte.” Ein kleiner Tipp, ein Nebensatz einer Großmutter auf dem Spielplatz, veränderte meinen Umgang mit unseren Kindern massiv. Simpel und einfach, das Kind in Entscheidungen einbinden! Der Alltag wird ruhiger, wenn ich unsere Kinder mitentscheiden lasse. Ich biete Alternativen an oder suche sie mit dem Kind gemeinsam. Das Kind und auch ich beurteilen zuerst die verschiedenen Vorschläge. Anschließend entscheiden wir uns für einen Weg, den beide akzeptabel finden.
Im Beispiel des Abendessens kann ich die Frage stellen, wie viele Löffel das Kind noch essen will. Gemeinsam können wir dann einen Kompromiss bzw. einen Weg suchen. Dazu braucht es Aufmerksamkeit – ich muss bereit sein, hinzuhören! Nicht bloss den eigenen Willen oder das eigene Programm durchziehen.
Ich versuche, mich immer wieder selbst in die Situation hineinzuversetzen. Wie würde es mir gehen, wenn jemand auf eine bestimmte Art mit mir umgeht? Wie sehr schätze ich es, wenn ich selbst Wahlmöglichkeiten habe und nicht einfach über mich bestimmt wird?
Sind Machtkämpfe in eurer Familie ein Thema? In welchen Bereichen und welchen Situationen?
Suche dir zwei konkrete Situationen aus den letzten paar Wochen heraus und überlege, welche Alternativen du hättest anbieten können. Oder was passiert wäre, wenn du dein Kind (ab drei Jahren) um Lösungsvorschläge gefragt hättest und ihr gemeinsam eine Lösung gesucht hättet.
In gewissen Situationen oder Themen sind Konflikte vorprogrammiert. Überlege dir heute, welche Alternativen du deinem Kind zukünftig anbieten willst oder wie du es in die Entscheidung einbinden willst (z. B. Kleiderwahl, Menüwahl, Zimmer aufräumen, Mithilfe im Haushalt).