FAMILYLIFE
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„Ich habe keine Ahnung, wie es dir damit geht. Es ist, als wärst du ein Roboter ohne Gefühle, der immer nur Lösungen finden will. Du hast mir noch nie gesagt, was das alles mit dir macht. Du bist so distanziert.“

Schon länger fühlt sich Julia in der schwierigen Situation mit ihrem Sohn alleingelassen. Nicht, dass ihr Mann sich nicht dafür interessieren würde. Sie sprechen fast täglich darüber und ihr Mann hat auch schon viele Versuche unternommen, die Situation zu verbessern. Aber in ihren Gesprächen geht es immer darum, das Problem in den Griff zu bekommen. Sie sprechen nicht darüber, wie es ihnen damit geht und weshalb es sie so beschäftigt. Deshalb hat Julia das Gefühl, die ganze emotionale Last allein tragen zu müssen.

Lange hat sie es einfach ausgehalten und nichts gesagt. Sie will in dieser stressigen Phase ja nicht auch noch Ansprüche stellen. Es ist so schon schwer genug. Doch mittlerweile wurde der Leidensdruck so hoch, dass sie einfach etwas sagen musste. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sprach es an. Dabei ist ihr ein weitverbreiteter Fehler unterlaufen: Um ihren Wunsch zu rechtfertigen, hat sie auf ein Defizit ihres Mannes hingewiesen.

Uns wird beigebracht, dass wir möglichst wenig Bedürfnisse haben sollten. Deshalb können wir dem Drang fast nicht widerstehen, unsere Bedürfnisse zu rechtfertigen, indem wir erklären, was unser Gegenüber falsch macht. Was dabei rauskommt, ist ein Vorwurf. Eigentlich wollte Julia sagen, dass sie sich wünschte, sie könnten sich darüber austauschen, wie ihre familiäre Situation sie persönlich bewegt und wie es ihnen dabei emotional geht. Tatsächlich hat sie aber gesagt, dass ihr Mann wie ein Roboter sei, distanziert und kalt. Natürlich wird sich ihr Mann dagegen wehren und Gegenvorwürfe machen. Im unweigerlich folgenden Streit wird ihr eigentlicher Wunsch völlig untergehen und nicht mal mehr eine Randnotiz sein.

Wir haben zwar kein Recht, dass unsere Wünsche erfüllt werden. Aber zumindest in unserer Partnerschaft haben wir das Recht, unsere Wünsche zu äußern. Und zwar einfach so, ohne uns dafür rechtfertigen oder einen Vorwurf machen zu müssen.

Um die Falle zu vermeiden, in die Julia getappt ist, hilft eine einfache Regel. Die VW-Regel besagt, dass man alle Vorwürfe (V) in Wünsche (W) umformulieren soll. Aus „du bist distanziert“ wird dann „ich wünsche mir mehr Verbindung“. Wir gehen also wieder zurück zu dem Wunsch, aus dem in unserem Inneren mittlerweile ein Vorwurf gereift ist.

Hier eine andere Situation: „Die Küche sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Du bist so eine Chaotin. Am Abend will ich mich irgendwann auch mal entspannen können.“ Vielleicht steckt hinter diesem Vorwurf folgender Wunsch: „In letzter Zeit fühle ich mich erschlagen von allem, was es im und ums Haus zu tun gibt. Könntest du mich unterstützen, indem du diese Woche die Wäsche oder die Küche machst?“

Wenn wir so miteinander reden, muss sich niemand verteidigen oder zum Gegenangriff übergehen. Und das erhöht die Wahrscheinlichkeit markant, dass unsere Wünsche tatsächlich erfüllt werden.

 

NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:

Wende die VW-Regel an und formuliere deinen nächsten Vorwurf in einen Wunsch um.

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