Millenials sind bekannt für ihre Empfindlichkeit. Und damit ist meistens nicht eine gesunde Sensibilität gemeint. Ich habe schon dutzende, ja vielleicht sogar hunderte Artikel gelesen, die alle den gleichen Grundtenor haben: Personen, die zwischen 1981 und 1996 geboren sind (Millenials oder Generation Y), seien emotional hochverletzlich, extrem sensibel und überempfindlich.
Aber kennst du den Spitznamen der nächsten Generation (Generation Z, geboren zwischen 1997 und 2012)? Sie wird Generation Snowflake genannt, weil diese jungen Leute angeblich noch empfindlicher als die Millenials sind.
Ein guter Teil dieser «Generationenlehre» besteht aus Anekdoten und Vorurteilen. Nicht selten widersprechen seriöse Studien dem Eindruck, den wir von der nächsten Generation haben. Im Dezember 2019 wurde beispielsweise eine Untersuchung veröffentlicht, deren Ergebnisse zeigen, dass – entgegen der verbreiteten Meinung – Millenials nicht empfindlicher sind als die Baby Boomer (1946 – 1964). Ganz neu ist das Thema Empfindlichkeit auf jeden Fall nicht. Dietrich Bonhoeffer schrieb schon 1939 in seinem Buch «Gemeinsames Leben» über die «Sünde der Empfindlichkeit».
Ob die Menschen immer empfindlicher werden oder wir schon seit geraumer Zeit ziemlich empfindlich sind, spielt letztendlich keine Rolle. Tatsache ist, dass wir alle dazu neigen, Dinge persönlich zu nehmen, die gar nichts mit uns zu tun haben. Das schadet unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere unserer Partnerschaft. Wenn einer oder beide Partner ausgesprochen empfindlich sind, müssen ständig Konflikte bereinigt und Verletzungen vergeben werden. Die Partnerschaft wird so dauernd um diese Themen kreisen, was ein Weiterkommen verhindert.
Wer überempfindlich ist, bezieht alles, was geschieht, auf sich selbst. So gesehen ist Empfindlichkeit eine subtile Form von Egoismus. Nehmen wir zum Beispiel Michelle. Wenn sie ihrem Partner Luca etwas erzählt und dieser falsch reagiert, ist sie sofort verletzt. Sie ist überzeugt, dass Lucas Reaktion gegen sie gerichtet ist. Diese Interpretation zeugt von einem egozentrischen Weltbild. Und sie ist meistens schlicht und einfach falsch. Denn es ist viel wahrscheinlicher, dass die Gründe für die unangemessene Reaktion des Partners an einem anderen Ort zu suchen sind. Vielleicht ist er gestresst von der Arbeit oder er ist mit den Gedanken woanders. Vielleicht ist er überfordert oder hat nie gelernt, besser zu reagieren. Eine sehr empfindliche Person wird das aber nicht sehen, sondern ihre Empfindungen ungeprüft in den Mittelpunkt stellen.
Wenn es uns in unserer Beziehung gelingt, kurz innezuhalten und unseren versteckten Egoismus zu entlarven, statt uns umgehend über die uns angetane Ungerechtigkeit zu empören, wird uns das viele unnötige Konflikte ersparen und so unsere Partnerschaft merklich verbessern.
NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
In welchen Momenten reagiere ich besonders empfindlich?