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Weißt du, wie viele verschiedene Gefühle es gibt? Was ist dein erstes Gefühl in diesem Moment? Ist es Freude? Oder Angst? Und wie viele verschiedene Gefühle kannst du ohne langes Nachdenken aufzählen?

Weißt du, wie viele Gefühle ein Mensch im Durchschnitt benennen kann? Die amerikanische Soziologieprofessorin Brené Brown hat über einen Zeitraum von fünf Jahren mehr als 7000 Menschen dazu befragt. Im Durchschnitt konnten die Befragten drei Gefühle benennen, nämlich: Glück, Trauer und Wut. Diese Zahl steht im krassen Gegensatz zu den über 80 Gefühlen, die der Mensch empfinden kann.

Kann man mit nur drei Gefühlen das Leben meistern und Beziehungen erfolgreich gestalten? Ich bezweifle es. Dazu ist es zentral, die eigenen Gefühle zu kennen und sie benennen zu können, weil sie unsere Gedanken formen. Und die wiederum bestimmen unser Verhalten und Handeln. 

Denn was geschieht, wenn man keine Worte für seine Gefühle und Erfahrungen hat? Stell dir folgendes Szenario vor: Du spürst einen stechenden Schmerz in der Schulter, der dir den Atem raubt. Der Schmerz ist so stark, dass du nicht mehr arbeiten kannst und kaum noch schläfst. Du gehst zur Ärztin und willst erklären, wie es dir geht. Aber plötzlich hast du ein großes Pflaster auf dem Mund und deine Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Du versuchst, dich durch das Pflaster hindurch verständlich zu machen und deine Hände zu befreien – weil dir die Worte fehlen, fühlst du dich verzweifelt, wütend und abgeschnitten vom Rest der Welt.

Ähnlich ist es, wenn uns die Worte fehlen, um unsere Gefühle zu artikulieren. Unsere Fähigkeit, unserem Erleben einen Sinn zu geben und es mit anderen zu teilen, ist stark eingeschränkt – auf Gefühle wie Wut, Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit. 

Dieser Vorgang des Sammelns und Versprachlichens von Gefühlen durch die Eltern führt im Laufe der Zeit dazu, dass das Kind seine Gefühle nicht nur fühlen, sondern auch denken kann.

Was hat das mit uns als Eltern zu tun? Wenn ein Kind auf die Welt kommt, hat es von Anfang an Gefühle, aber keine Sprache dafür. Deshalb haben Mutter und Vater ebenfalls von Anfang an eine Containerfunktion;-). Dieser Vorgang des Sammelns und Versprachlichens von Gefühlen durch die Eltern führt im Laufe der Zeit dazu, dass das Kind seine Gefühle nicht nur fühlen, sondern auch denken kann. Das Kind legt so ein großes emotionales Wörterbuch an und wird darin unterstützt, seine Gefühle in den entsprechenden Situationen zu benennen.

Schon ein Baby verfügt über ein breites Spektrum an Gefühlen und Erfahrungen, die es uns zeigt und zur Übersetzung anbietet. Wenn ein Baby weint, kann die Mutter oder der Vater das damit ausgedrückte Gefühl – wie in einem Container – ungefiltert und unverdaut aufnehmen, übersetzen, in Worte fassen und das Bedürfnis befriedigen. Ein Vater, der sein Kleinkind weinen sieht, nimmt seine Gefühle wahr und formuliert sie: „Du bist traurig. Ich will dich trösten.“ Dann nimmt er das Kind in den Arm.

Solche Szenen wiederholen sich im Alltag unzählige Male. Das Sammeln der kindlichen Emotionen und Erfahrungen in einem Gefühlscontainer hört nicht auf, wenn die Kinder älter werden. Auch bei Schulkindern und Jugendlichen bleibt es unsere Aufgabe, aufmerksam zuzuhören und dem Kind das Gehörte zu spiegeln. Hier können wir mit der Zeit einen Schritt weitergehen und – nach dem Spiegeln – fragen: „Was möchtest du jetzt tun?“ Oder: „Kann ich etwas für dich tun?“ Dies ermöglicht es den Kindern, sich eine Meinung zu bilden, eine Verbindung zu anderen herzustellen, stärkt ihr Selbstvertrauen und erhöht ihre Lernbereitschaft.

Wie drückt dein Kind seine Gefühle aus? Fällt es dir leicht, seine Gefühle zu sammeln und zu übersetzen? 
Wie groß ist dein eigenes Wörterbuch der Gefühle? Nutze in den nächsten Tagen ein – zwei Situationen, um deine eigenen Gefühle bewusst in Worte zu fassen.  

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