Benis Blick bleibt an der Wanduhr hängen. Er erstarrt, als er realisiert, dass es schon 18:13 Uhr ist. Das wird knapp! Hastig verabschiedet er sich und stürmt aus dem Sitzungszimmer. Gefährlich schnell fährt er aus der Tiefgarage, bald ist er auf der Autobahn. Doch schon nach wenigen Kilometern leuchten vor ihm reihenweise rote Bremslichter auf. Ein Stau, auch das noch. Jetzt wird er bestimmt zu spät kommen. Dabei hat ihm Luisa gerade noch gesagt, wie wichtig es ihr sei, dass er pünktlich komme. Das gibt Ärger.
Auch nach einer hitzigen Diskussion und einer halbherzigen Entschuldigung hat Luisa nur lückenhafte Informationen darüber, weshalb ihr Mann zu spät gekommen ist. Aus diesen bastelt sie sich nun gedanklich ein Bild. Wir alle machen das andauernd, meistens ohne es zu merken. Wir interpretieren lückenhafte Informationen und schreiben aufgrund eines Ereignisses unseren Mitmenschen gewisse Eigenschaften zu. Die Fachsprache nennt das Attribution.
Man kann Attributionen in den beiden Dimensionen intern vs. extern und stabil vs. variabel unterscheiden. Intern bedeutet, dass der Grund für das Verhalten beim Partner selbst liegt. Im Gegensatz zu extern, wo der Grund nicht direkt mit dem Partner, sondern mit Umständen zu tun hat. Stabil und variabel unterscheiden sich darin, ob das immer so läuft oder ob eine ähnliche Situation das nächste Mal ganz anders enden könnte.
Die Tabelle zeigt vier mögliche Interpretationen von Luisa.
Jede einzelne der vier Attributionen könnte wahr sein. Wahrscheinlich ist sogar jede wahr, zumindest teilweise. Doch offensichtlich sind nicht alle Attributionen gleich gut für die Beziehung.
Unzählige Studien zeigen, dass es gut für unsere Partnerschaft ist, wenn wir negative Vorkommnisse extern und variabel attribuieren. Das bedeutet, dass wir ein unerfreuliches Verhalten unseres Gegenübers öfter mal den Umständen zuschreiben, die ein nächstes Mal bestimmt besser sind. Wenn wir wissen, dass es unser Partner grundsätzlich gut mit uns meint, gilt „im Zweifel für den Angeklagten“.
Auf der anderen Seite hilft es, wenn wir positive Ereignisse (Beni kommt rechtzeitig und bringt Blumen) intern und stabil attribuieren.
Im Laufe eines Tages, Jahres oder einer ganzen Ehe fabrizieren wir unzählige Erklärung für das Verhalten unseres Gegenübers. Fast immer unbewusst. Unsere Attributionen bewusster vorzunehmen, gibt uns die Chance, unser Gegenüber mit neuen Augen zu sehen.
Um das konkret umzusetzen, empfiehlt der Psychologe Eli Finkel, folgende Wenn-Dann-Regel einzuüben: „Wenn ich anfange, frustriert oder wütend über etwas zu sein, was mein Gegenüber getan (oder nicht getan) hat, dann nehme ich mir ein paar Sekunden Zeit, um andere Erklärungen für sein oder ihr Verhalten in Betracht zu ziehen.“
NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
Versuche, die Wenn-Dann-Regel in deinem Paaralltag anzuwenden.