Wenn ich mich an ein neues Themengebiet herantaste, liebe ich es, Bücher darüber zu lesen. Das hilft mal mehr und mal weniger. Beim Vaterwerden war es eher letzteres. Trotz all der Bücher hatte ich wenig Ahnung. Aber zwei Begriffe begleiten mich seither.
Trust the process (Begriff aus der Organisationsentwicklung) ist der erste. Genau das empfinde ich in meiner Rolle als Vater: Ich darf darauf vertrauen, dass es gut kommt und fahre bis jetzt ganz gut damit.
Der zweite ist der Begriff der Perfomanzschere. “Es ist nämlich so, dass viele Väter durchaus über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um ihre Kinder liebevoll zu versorgen. Das Problem ist aber oft, dass sie diese Kompetenzen nur unzureichend nutzen.* Das führt dazu, dass die Schere zwischen dem, was man eigentlich kann und der gezeigten Performance immer größer wird. Als Vater könnte ich, abgesehen vom Stillen, alles oder vieles. Performanzschere bedeutet aber auch: Je mehr du etwas machst und wiederholst, desto besser wirst du in dieser Aufgabe oder Tätigkeit.
Deshalb war es mir als Vater wichtig, von Anfang an involviert zu sein. Das bedeutet für mich, dass ich immer wieder meine Komfortzone verlassen muss und mich auf unbekanntes Terrain einlasse. Ich weiß noch genau, als mitten in der Nacht die Windeln unserer Tochter gewechselt werden sollten. Ich sagte schlaftrunken zu meiner Frau, dass sie dies im Dunkeln doch besser könne als ich. Liebevoll hat sie mich an die Performanzschere erinnert… Und dank des roten Lichts meiner Stirnlampe wurde meine Performance auch in der Kategorie Windelwechseln in der Nacht rasch besser.
Und wenn du es dann schaffst, fühlst du dich großartig. Vielleicht kennst du den Film Cast Away mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Mir kommt jedes Mal die Szene in den Sinn, als er alleine auf der Insel ist und es endlich schafft, Feuer zu machen. Er tanzt ganz wild ums Feuer und schreit inbrünstig: “Ich hab Feuer gemacht!”
Perfomanzschere heißt auch, nicht immer den einfachsten Weg zu gehen. Solche “Ich-hab-Feuer-gemacht”-Situationen sind wie Leuchttürme im ersten Jahr als Vater. So hatte ich ehrlich gesagt großen Respekt davor, unsere Tochter ins Bett zu bringen, weil sie am liebsten an der Brust einschlief – und die konnte ich ihr schwerlich geben. Als meine Frau dann beruflich eine Woche weg war, waren wir gezwungen, diesen Modus zu ändern. Und siehe da, es klappte. Ich habe Feuer gemacht und konnte mit unserer Tochter sogar ein paar Tage an den Comersee fahren (wenn schon alleine zu Hause, dann richtig) und das Van-Life genießen.
Performanzschere bedeutet für uns auch, einerseits dem Ehepartner/der Ehepartnerin zu vertrauen und andererseits Aufgaben richtig zu delegieren und sich auch ein Stück weit entbehrbar zu machen. Was uns beiden wiederum eine große Freiheit gibt. So können beide von uns gleich gut die Bordunterhaltung bei langen Autofahrten übernehmen (und Auto fahren). Beide können unsere Tochter trösten, ihr die nötige Nähe geben und sie ins Bett bringen.
Und ja, es geht nicht nur schnell, bis die Kinder größer werden. Es geht auch sauschnell, bis der Gap der Performanzschere sich immer weiter auftut. Hier hat uns eine gute Kommunikation geholfen, dass wir immer wachsam sind, uns reflektieren und den Humor nie verlieren.
Wo hast du schon solche “Ich-hab-Feuer-gemacht”-Moment erlebt? Wo wünschst du dir solche Momente respektive was hindert dich daran, mutig Schritte zu machen?
Wo möchtest du den Gap der Performanzschere verkleinern? Was ist ein erster Schritt in diese Richtung?
*Klaus Althoff und Nicola Schmidt, Vater werden