Nach langer Zeit bin ich ihm gestern wieder begegnet, dem König aller Streitverursacher: die herumliegenden Männersocken. Ein Mann erzählte mir, dass seine Frau ständig meckert, weil er seine Socken herumliegen lässt. Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen. Die herumliegenden Männersocken bedienen so viele Stereotypen und kommen in jedem zweiten Lehrbuch über Paartherapie vor, dass ich schon gar nicht mehr glaubte, dass es sie im realen Paaralltag wirklich gibt.

Die Sockendiskussion verläuft dann bei allen Paaren erstaunlich ähnlich:
Sie: „Deine Socken liegen wieder mitten im Flur.“
Er: „Ich stehe ja morgen vor dir auf und räume sie dann gleich weg.“
Sie, mit ironischem Unterton: „Ja genau, so wie letztes Mal.“
Er: „Hauptsache, du findest immer einen Grund, mich zu kritisieren. Irgendwas mache ich immer falsch.“

Und so weiter. Die Struktur ist immer gleich: Sie beginnt mit einem Vorwurf. Daraufhin rechtfertigt er sich. Weil er sich rechtfertigt, kann er nicht auf das Bedürfnis eingehen, das hinter dem ursprünglichen Vorwurf steht. Deshalb muss sie mit einem weiteren Vorwurf nachdoppeln. So sicher wie das Amen in der Kirche folgt nun sein Gegenangriff.

Wahrscheinlich sind es bei dir nicht die herumliegenden Socken, die zu hitzigen Diskussionen führen, und auch die Rollen von Mann und Frau können vertauscht sein. Und doch kennst du diese Formel wahrscheinlich aus eigener Erfahrung: Vorwurf -> Rechtfertigung -> nochmals Vorwurf -> Gegenangriff.

In einem solchen Gespräch erreichen beide Partner ihre Ziele nicht. Beide fühlen sich danach weniger verbunden, weniger gehört, weniger ernst genommen und weniger geliebt. Trotzdem geraten viele Paare bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder in diese Spirale. Die Frage ist also, wie man aus dieser Dynamik aussteigen kann.

Es gibt drei Gegenmittel gegen diese Art von Konflikten. Das erste ist zu erkennen, dass unser Gegenüber wahrscheinlich nicht einfach eine Nörglerin oder ein Ignorant ist, sondern dass wir sie oder ihn zu dem machen. Es ist unser Verhalten, das diese Reaktion hervorruft. Ich tue etwas, was dazu führt, dass du genau das Gegenteil von dem tust, was ich eigentlich will. Diese Erkenntnis ist oft schwer zu verdauen.

Die zweite Maßnahme hilft, gar nicht erst in diesen Strudel von Vorwürfen hineinzugeraten. Ich nenne sie die ABC-Methode. Sie hilft uns, unsere Beschwerden konstruktiver zu kommunizieren: Wenn du A tust, fühle ich mich B. Deshalb wünsche ich mir C. Wenn du deine Socken liegen lässt (A), fühle ich mich nicht wertgeschätzt, weil ich jeden Tag so viel Zeit mit dem Aufräumen unserer Wohnung verbringe (B). Deshalb wünsche ich mir, dass du deine Socken jeweils direkt in den Wäschekorb legst (C). Wenn wir unsere Beschwerden so umformulieren können, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gegenüber sich nicht verteidigt, sondern sich stattdessen unser Bedürfnis zumindest anhört.

Eine dritte Möglichkeit, den Teufelskreis zu durchbrechen, besteht darin, unerwartet zu reagieren. Wenn einer sein Verhalten ändert, wird der andere unmöglich gleich weitermachen können. Wenn zum Beispiel auf eine Rechtfertigung nicht wieder ein Vorwurf folgt, sondern eine Entschuldigung, kann der andere nicht mit einem Gegenangriff weitermachen. Wenn einer das alte Muster durchbricht, entsteht Raum für eine neue Dynamik in der Partnerschaft.

Vielleicht lassen sich solche Konfliktdynamiken nach dem Muster „Vorwurf-Rechtfertigung-nochmals Vorwurf-Gegenangriff“ nie ganz aus der Welt schaffen. Aber wenn es gelingt, eine Kombination dieser drei Gegenmaßnahmen anzuwenden, werden sie deutlich seltener.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:

Von welchem der drei Gegenmittel versprichst du dir am meisten für deine Beziehung?