Megan Zahneis spürt keine Schmerzen. Die 27-jährige Amerikanerin hat eine seltene erbliche Genmutation namens HSAN II. Es mag verlockend klingen, einen Wespenstich ohne mit der Wimper zu zucken wegzustecken oder beim Zahnarzt auf die Betäubungsspritze verzichten zu können. Tatsächlich aber ist es lebensgefährlich, keine Schmerzen zu empfinden. Dass Megan noch am Leben ist, grenzt an ein Wunder. Wer keine Schmerzen verspüren kann, überlebt in der Regel nicht lange.
Schmerz ist unangenehm, aber notwendig. Wenn wir ihn nicht wahrnehmen und die Ursache nicht beseitigen, geht es nicht gut aus. So gesehen können wir von Glück reden, dass zum Beispiel ein geplatzter Blinddarm schrecklich weh tut. Schmerzen sind wichtige Warnsignale unseres Körpers, die auf eine Störung hinweisen.
Ähnlich verhält es sich mit Spannungen in unserer Beziehung. Wie körperliche Schmerzen sind auch sie Warnsignale, die auf eine Störung hinweisen. In jeder Partnerschaft gibt es Reibungen, Unstimmigkeiten, Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse. Diese Empfindungen sind unangenehm, aber notwendig.
Weil sie so unangenehm sind, neigen wir dazu, sie zu ignorieren. Doch dadurch wird die Ursache nicht behoben. Und so wie eine unbehandelte Blinddarmentzündung irgendwann auf den gesamten Bauchraum übergreift, kann eine ungeklärte Beziehungsstörung auch andere Bereiche der Beziehung befallen und schließlich die ganze Partnerschaft vergiften.
Wir können versuchen, uns von diesen Spannungen abzulenken. Oder uns zu betäuben, um die unangenehmen Gefühle nicht mehr wahrzunehmen. Oder die Konflikte auszublenden. Aber mit solchen Strategien dämpfen wir alle unsere Gefühle gegenüber dem Partner. Und zwar nicht nur die schlechten, sondern auch die guten. Das führt zu einer Beziehung, die sich leer und leblos anfühlt.
Sein verschwenderischer Umgang mit dem gemeinsamen Geld, ihr Flirten mit anderen Männern, die einseitige Aufteilung der Hausarbeit, sein Misstrauen, das unbefriedigende Sexleben, ihre enge Beziehung zur Mutter. All das sind Themen, die auf den Tisch kommen müssen. Ihnen auszuweichen und auf Besserung zu hoffen, ist eine gefährliche Strategie.
Jeden Abend kontrolliert Megan ihre Knochen und Gelenke, um keinen Bruch zu übersehen. Und ich kenne ein Paar, das sich regelmäßig Zeit nimmt, um sich zu fragen, ob es in ihrer Beziehung irgendetwas Störendes zu bereinigen gibt. Gerade für harmoniebedürftige Menschen kann eine solche institutionalisierte Form hilfreich sein, um allfällige Unstimmigkeiten anzusprechen.
Megan ist einmal auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt in eine Schraube getreten, die sich durch den Schuh in ihren Fuß gebohrt hat. Gemerkt hat sie es erst Stunden später, als sich ihr Schuh nass anfühlte, weil er sich mit Blut vollgesogen hatte. Manchmal dauert es lange, bis wir eine Störung bemerken. Doch wenn wir sie erkannt haben, sollten wir sie bald thematisieren, auch wenn es unangenehm ist.
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Gibt es Störungen in eurer Beziehung, vor denen du die Augen verschließt?