Nicolas ist drauf und dran, seinen Job zu verlieren. Er hat sich mit seiner Vorgesetzten überworfen und verhält sich deshalb immer destruktiver. An Teamsitzung nimmt er betont lustlos teil, im Hintergrund macht er Stimmung gegen seine Leiterin und seine Krankheitstage haben sich vervielfacht. Es ist eine Frage der Zeit, bis er gehen muss. Es wäre das zweite Mal in drei Jahren.

Seine Frau Stefanie merkt, was sich hier anbahnt. Bei Nicolas’ letzter Arbeitsstelle verlief es schließlich ähnlich. Sie reagiert scharf, fast täglich kommt es zu lautstarken Auseinandersetzungen. Sie ist selbst überrascht, dass allein schon der Gedanke an Nicolas’ Arbeitssituation ihr die Luft abschnürt und sie so heftig darauf reagiert. Derweil bezeichnet Nicolas die Situation weiterhin stoisch als „sein Problem“, in das sie sich nicht einzumischen brauche.

Stefanie reagiert so heftig, weil sie auch selbst stark von einer erneuten Arbeitslosigkeit ihres Mannes betroffen wäre. Was Stefanie nicht weiß, aber wohl spürt: Die psychische Gesundheit der Partner von Arbeitslosen leidet nahezu gleich stark wie diejenige der Arbeitslosen selbst.

Als Paar werden wir unaufhaltsam eins, ob wir das wollen oder nicht. Mit fortlaufender Dauer unserer Partnerschaft werden wir einander immer ähnlicher und die Entscheidungen des einen haben immer stärkeren Einfluss auf das Leben des anderen. Dies widerspricht unserer Vorstellung eines selbstbestimmten Lebens als Individuum. Dass wir als Paar immer voneinander abhängig sind, ist für viele eine bittere Pille.

Was unser Gegenüber betrifft, betrifft uns auch mit. Deshalb reagieren wir auch stark, wenn sich unser Partner ungesund ernährt, seine Krankheit nicht ernst nimmt oder an zu großem Stress zu zerbrechen droht. Wenn sich Stefanie also vehement dafür einsetzt, dass Nicolas sich am Riemen reißt, vertritt sie damit auch ihr eigenes Interesse. Nicolas würde gut daran tun, das anzuerkennen.

Wenn Stefanie von ihren Ängsten in Bezug auf die drohende Arbeitslosigkeit von Nicolas erzählen würde, statt ihn mit Vorwürfen und Forderungen einzudecken, würde sie damit die Chancen erhöhen, dass er tatsächlich merkt, dass sein Problem sehr wohl auch ihr Problem ist.

 

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Wo handelst du ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für dein Gegenüber?