FAMILYLIFE
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«Eure Tochter ist die perfekte Schülerin! Sie zeigt in fast allen Bereichen überragende Leistungen! » – Bei diesen Worten stiehlt sich ein stolzes Lächeln über meine Lippen. Ich bin froh, dass die Klassenlehrerin meiner Erstklässler-Tochter meinen triumphierenden Blick durchs Telefon hindurch nicht sehen kann. Einen kurzen Moment lang bilde ich mir tatsächlich ein, dieses glanzvolle Statement über meine Tochter habe in erster Linie mit meinem Freilerner-Homeschooling während dem Kindergarten, meiner durchdachten Lernumgebung zu Hause, meinem Wissen und meiner Erfahrung als Lehrerin und Homeschooling-Mama zu tun. So? Tut es das wirklich?

Alle unsere Mühen der letzten Jahre schienen sich nicht nur auszuzahlen – meine Erwartungen wurden sogar übertroffen. Der Erfolg meiner Tochter wurde zu meinem eigenen Erfolg.

Dabei kann ich mich noch gut erinnern, dass wir fünf Jahre zuvor bei einem unserer Söhne im ersten Kindergartenjahr fast verzweifelten: Der tägliche Kampf mit dem Kind und den Geschwistern am Morgen überhaupt in den Kindergarten zu gelangen, war extrem kräfteraubend. Unser Kind schien je länger je unglücklicher zu werden und keine namhaften Entwicklungsschritte mehr zu machen. Sein sonst so ansteckendes Lachen und das auffallende Leuchten in seinen Augen waren erloschen; stattdessen entlud sich alle Anspannung vom Kindergarten wie ein Gewitter in unserer Familie zu Hause. Als unser Sohn in den Ferien endlich zur Ruhe kam, begann er wieder zu lachen. Wir Eltern empfanden dabei große Dankbarkeit. Ein glücklicher Sohn reichte uns vollkommen! Eine Familienberatung ließ uns dann erkennen, dass Menschen wie er durch die chronische Überreizung nicht reifen und dementsprechend Entwicklungsschritte ausbleiben können. Darum entschieden wir uns für Homeschooling. Diesen nicht «normalen» Weg zu akzeptieren, war für uns damals ein schmerzhafter Trauerprozess, aber rückblickend ein segensreicher Schritt. Diese anspruchsvolle Zeit damals hatte ich natürlich nicht vergessen. Aber das Lob der Klassenlehrerin unserer Tochter fühlte sich so wohltuend an. Alle unsere Mühen der letzten Jahre schienen sich nicht nur auszuzahlen – meine Erwartungen wurden sogar übertroffen. Der Erfolg meiner Tochter wurde zu meinem eigenen Erfolg.

Im gleichen Zeitraum unterrichte ich an einer christlichen Schule in meiner 5./6. Klasse im Fach «Natur, Mensch, Gesellschaft» das Thema «Identität». In mehreren Lektionen betone ich die Einzigartigkeit jedes Menschen; den Wert, den jeder Mensch unabhängig von seiner Leistung hat und dass Gott jeden Menschen mit besonderen Begabungen geschaffen hat und jeder einen wichtigen Beitrag in der Gesellschaft leisten kann.

Wenige Stunden später sitze ich den gleichen Schülern und ihren Eltern in den Übertrittsgesprächen gegenüber. Die Noten und die Übertrittsempfehlungen für die nächste Schulstufe (Sek oder Real) werfen hohe emotionale Wellen. Alle wollen in die Sek. Ich frage mich plötzlich selbst: Werden wirklich alle Begabungen gleich bewertet und geschätzt in unserer Gesellschaft? Oder zählen die intellektuellen Begabungen doch ein bisschen mehr als andere Stärken? Ist glücklich und zufrieden sein zu wenig für diese Welt?

Es ist Gott, der Menschen talentiert und in Verantwortungen beruft. Wir sind lediglich Umsetzer von Gottes guten Plänen für unsere Kinder.

Nachdenklich steige ich im Anschluss an diese Gespräche ins Auto und frage mich, wie christliche Familien mit dem Thema Leistungsorientierung im Schulalltag umgehen. Welche Haltung lebe ich in Bezug auf schulische Leistungen? Das Lob der Klassenlehrerin meiner Tochter hat mich zwar sehr beflügelt und mich in meinem Einsatz für meine Kinder bestätigt, mir aber gleichzeitig vorgegaukelt, dass der schulische Erfolg allein MEIN Verdienst sei. Wer weiterdenkt, merkt aber, dass dies nicht die ganze Wahrheit sein kann: Es ist Gott, der Menschen talentiert und in Verantwortungen beruft. Wir sind lediglich Umsetzer von Gottes guten Plänen für unsere Kinder. Dankbar dürfen wir Eltern unsere Berufung, die Kinder zu begleiten und ihre Talente zu fördern, leben. Den Rest, den wir nicht beeinflussen können, dürfen wir getrost in die Hände Gottes legen. Und dann kommen wir vielleicht an den Punkt, wo wir uns einfach an einem zufriedenen, glücklichen Kind erfreuen können.

Wie siehst du deine Rolle als Mutter in Bezug auf die Leistungen deiner Kinder?

Wann sind deine Kinder für dich erfolgreich? Wenn sie mit Jesus unterwegs sind? Wenn sie ins Gymnasium kommen? Oder wenn sie einfach glücklich sind?

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