Erinnert ihr euch an die Tischszene im letzten Blog? Alle reden und niemand hört zu, darum reden alle noch lauter in dem Bestreben, Aufmerksamkeit zu erlangen. Kinder wollen gehört und gesehen werden. Wenn wir ehrlich sind, wollen wir das alle. Es gehört quasi zur menschlichen DNA. Und mir scheint, dass es in diesen außergewöhnlichen Zeiten noch stärker sichtbar wird. Kein Problem? Für mich zwischendurch schon.
Vor Weihnachten war so ein Moment. Die Kinder hatten früher Ferien als sonst, das Wetter war nicht übermäßig gut und ich entweder mit Vorbereitungen für Weihnachten beschäftigt oder damit, meinem in diesem Moment sehr ausgeprägten Bedürfnis nach Ruhe und etwas Alleinsein gerecht zu werden. Außerdem war da noch diese spannende Serie auf Netflix, auf die ich ein paar Tage zuvor dummerweise gestoßen war. Es war klar, dass das nicht gut gehen konnte. Was seit ein paar Wochen schon latent vorhanden war, verstärkte sich. Schlechte Laune bei zwei von drei Kindern, empfindliche Reaktionen auf alles, was ich sagte, Schimpfen und Tränen – kurz gesagt: unmögliches Verhalten und große Gefühle. An sich schon herausfordernd, aber in diesem Moment kollidierte dies alles mit meiner Unlust, meine Mutterrolle aktiv und gestaltend wahrzunehmen. Alles, was ich wollte, war eine Pause vom Mutter-Sein. Ich fühlte mich wie ein Ballon, dem gerade die Luft auszugehen drohte. Zum Glück begannen da die Ferien meines Mannes. Ich konnte mich einen ganzen Tag aus allem rausnehmen. Das reichte mir, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Wenn sich Elternsein für dich herausfordernd anfühlt, ist es Zeit, deinen Kindern ungeteilte Aufmerksamkeit zu geben.*
Warum ist das so? Das, was unsere Kinder in ihrem unmöglichen Verhalten oft besonders suchen, ist ebendiese ungeteilte Aufmerksamkeit. Fühlen sie sich nicht gesehen, setzen sie alles daran, Aufmerksamkeit zu erhalten. Ihr Verhalten ist Absicht und entspringt einem tiefen Bedürfnis. Entweder möchten sie sich mit ihren nächsten Mitmenschen verbunden fühlen oder sie haben das Bedürfnis nach Kontrolle / Macht. In einer solchen Situation angemessen zu kommunizieren, ist schon für uns Erwachsene nicht immer einfach. Für Kinder ist es noch schwieriger. Was sie ausdrücken möchten, kommt in einer Verkleidung daher; mit großen Gefühlen und einem Verhalten, das wir Eltern als äußerst anstrengend empfinden. Wir müssen hinter diese Verkleidung schauen und ihr Verhalten übersetzen. Was sagt unser Kind? Möchte es einfach gesehen werden? Oder möchte es sich nützlich fühlen, involviert werden? Möchte es helfen oder ganz einfach die Wahl haben? Oder vielleicht das ganze Paket?
Wir haben es wieder auf die Reihe gekriegt. Da ich als Mutter aber auch nur ein Mensch bin und Fehler mache, kommt es ab und zu vor, dass meine Kinder auf ihre Defizite aufmerksam machen. Und ich habe gelernt, dass es etwas gibt, das quasi präventiv wirkt und das Eltern regelmäßig tun können: Wir können in unseren Alltag Dinge einbauen, welche die Verbindung zwischen uns und dem Kind stärken. Es muss nicht kompliziert sein: ein Kuss am Morgen beim Aufstehen oder gemeinsam vor dem Einschlafen ein Buch lesen, Rituale z. B. beim Begrüßen oder Verabschieden… Oder zwischen Homeoffice und Hausaufgaben ein kurzes Spiel spielen. Bei unserer Jüngsten ist Ligretto und Unihockey im Moment hoch im Kurs. Wichtig ist dabei eigentlich nur, dass die Kinder die volle und ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten.
Wann war Elternsein für dich das letzte Mal herausfordernd? Wie verhalten sich die Kinder und wie reagierst du normalerweise?
Überlege dir, wie ungeteilte Aufmerksamkeit für deine Kinder konkret aussehen könnte.
*Melissa Benaroya, Gottman Institute