Anne und Timo sind in einer Sackgasse gelandet. Anne sagt: «Wir sind einfach zu verschieden. Ich verbringe gerne Zeit mit Timo. Ich interessiere mich für das, was ihn interessiert. Ich habe sogar meine Freundschaften aufgegeben, damit wir mehr zusammen machen können. Er hingegen ist nur körperlich anwesend, gedanklich aber irgendwo anders. Ich habe keine Ahnung was in ihm vorgeht, er zeigt mir seine Gefühle nicht. Es ist, als wollte er mich abblocken.»
Anne und Timo glauben, dass sie nicht zueinander passen, weil sie sich gegenteilig verhalten. Er zieht sich emotional zurück und sie klammert.
Doch Klammern und Rückzug sind viel ähnlicher, als man glaubt. Klammern und Rückzug sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Beide Verhalten haben das gleiche Ziel. Beides sind Strategien, um mit der Angst umzugehen, das Gegenüber zu verlieren.
Beim Rückzug geschieht das, indem man versucht, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Man investiert sich emotional weniger stark in die Beziehung und macht sich dadurch weniger verwundbar. Unbewusst hat man die Hoffnung, dass dann der Verlust des Partners weniger schmerzen würde.
Beim Klammern versucht man seine Angst vor einer Trennung oder einem sich Auseinanderentwickeln zu beruhigen, indem man sich an den Partner klammert oder zulässt, dass er sich an einen klammert. Man hat die gleiche Meinung, die gleichen Interessen und macht fast alles zusammen. Man gibt seine Individualität auf, in der Hoffnung, die Partnerschaft dadurch am Leben erhalten zu können.
Beide dieser Angstbewältigungsstrategien führen in eine Sackgasse. Sie haben auch Anne und Timo genau dorthin geführt, wo sie auf keinen Fall landen wollten. Sowohl beim Rückzug als auch beim Klammern wird die Beziehung mit der Zeit innerlich sterben.
Die Lösung besteht darin, dass unsere Identität nicht von unserer Partnerin abhängig ist. Wenn wir uns ausschließlich über unser Gegenüber definieren, werden wir destruktive Strategien anwenden, um unsere Angst vor dem Verlust des Gegenübers – und damit der Zerstörung unserer Identität – zu beruhigen. Deshalb muss unsere Identität auf einem anderen Fundament stehen. Die beste Lösung, die ich kenne, ist eine Identität, die in der Beziehung zu Gott begründet ist. Wer weiß, dass Gott ihn als sein Kind annimmt, steht auf festem Boden. Denn selbst der Verlust des Partners würde diese Identität nicht zerstören. Aus dieser Position der Stärke und nicht der Abhängigkeit kann man sich dann frei dafür entscheiden, das Gegenüber zu lieben.
Es klingt paradox: Nur wenn wir bereit sind, unser Gegenüber zu verlieren (indem wir loslassen und uns verwundbar machen), können wir sie oder ihn gewinnen.
Diesen Prozess muss man in einer Partnerschaft immer wieder neu durchlaufen. Dies, weil einem das Gegenüber immer wichtiger wird und deshalb bei einer Trennung immer mehr auf dem Spiel stehen würde. Entsprechend werden auch die Ängste größer und damit die Gefahr, dass man sie mit Klammern oder Rückzug kontrollieren will.
NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
Tendierst du eher zu Rückzug oder zu Klammern, um deine Ängste unter Kontrolle zu halten?