FAMILYLIFE
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Zeit mit Mama verbringen? Uncool. Allein mit den Schwestern unterwegs sein? Unbedingt. Am Sonntag mit Freundinnen abmachen und auswärts übernachten? Am liebsten jedes Wochenende. Unser Kuschelkind hat sich von gestern auf heute in eine Weltentdeckerin verwandelt. Uns Eltern benötigt sie scheinbar nur noch als Unterstützung bei den Hausaufgaben.

Praktisch zur selben Zeit setze ich mich am Abend jeweils voller Vorfreude auf ein gutes Buch und Zweisamkeit mit meinem Mann aufs Sofa und dann passiert das: Das zweite Kind spaziert ins Wohnzimmer, setzt sich neben mich, sagt «umarme mich» und erzählt. Lange, ausführlich und beinahe täglich. Sie braucht unsere Nähe und aufmerksame elterliche Zuwendung.

Beim ersten Kind und der ersten Abnabelungsphase musste ich mehr als einmal leer schlucken. Ich vermisste die Nähe zu meinem Kind. Gleichzeitig lernte ich: Was wir da zum ersten Mal erlebten, ist normal und wichtig. Es bedeutet, dass sich mein Kind gut entwickelt und führt zu Reife.

Damit wird klar, dass zur elterlichen Liebe Zuwendung geben und Freiraum lassen gehören.

Als Eltern kümmern wir uns in den ersten Jahren intensiv um unsere Kinder. Wir tun alles, damit es ihnen gut geht. Durch unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung entsteht Bindung. Die Kinder fühlen sich sicher und geliebt. Das ist wie die eine Seite einer Medaille. Denn in jedem Kind steckt ein kleiner Entdecker oder eine kleine Entdeckerin. Ein Kind braucht Freiraum, um eigenständig zu sein, bisher Unbekanntes zu entdecken und auszuprobieren, was es alles schon in Eigenregie kann. Damit wird klar, dass zur elterlichen Liebe Zuwendung geben und Freiraum lassen gehören.

Nicht selten fühlt es sich in diesen Zeiten an, als sei das Verhalten des Kindes gegen uns Eltern gerichtet. So ist jedoch nicht. Erstens geht ein sicher gebundenes Kind davon aus, dass seine Eltern in der Entdeckerphase jederzeit da sind, mit allem was es braucht. Zweitens holen sich Kinder in Zeiten der Nähe das, was sie im Entdeckermodus an Kraft und Mut brauchen. Bindung aufbauen und Freiraum geben gehören zusammen wie ein Muskelpaar, das Beugen und Strecken ermöglicht. Nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Ist der Muskel angespannt respektive das Kind im Entdeckermodus müssen Eltern nicht einfach untätig zuschauen.

  • Wir sind aufgefordert, einen sicheren und altersgemäßen Rahmen abzustecken.
  • Wir können aktiv darauf vertrauen, dass das, was wir in Zeiten der Nähe den Kindern mitgegeben haben, hält.
  • Wir können im Tagesablauf Möglichkeiten für Nähe schaffen,
  • und wir sind das Auffangbecken, wenn es schief geht.

Darum noch ein paar Worte zum Schiefgehen. Die Bibel erzählt dazu eine äußerst drastische Geschichte; diejenige vom verlorenen Sohn. Keine Mutter und kein Vater möchte das, was da erzählt wird, erleben.  Aber bezüglich Nähe und Freiraum ist sie lehrreich: Wir können beobachten, dass sich keiner der Söhne ideal entwickelt und zufrieden ist. Während der eine Sohn dauerhaft in der Nähe des Vaters bleibt und sich unnötig einschränkt, sucht der andere buchstäblich das Weite. Die Haltung des Vaters ist interessant. Er lässt den freiheitssuchenden Sohn los, der die Welt entdecken will und wartet geduldig, bis dieser wieder die Nähe sucht. Mir hilft es, hier eine Perspektive zu haben, die im folgenden Zitat schön zum Ausdruck kommen: «Im Wechsel von Zuhause-Sein und im Wind stehen kommt der (…) Mensch zum Vorschein und wächst.»*

Wie fühlst du dich, wenn dein Kind Nähe sucht? Und wenn es die Welt entdeckt? Was kannst du schon gut und wo fühlst du dich wohl: Wenn es darum geht, Bindung aufzubauen oder Freiraum zu geben?

Überlege dir Möglichkeiten, um im Alltag Nähe zu schaffen. Überlege dir, wie du dein Kind unterstützen kannst, wenn es Freiraum möchte.

*Sabine Fürbringer im Amen 2/21

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