FAMILYLIFE
Engagieren

„Aber ich habe dir doch gesagt, dass du mir Bescheid geben kannst, wenn ich dir helfen soll“, sagt Sebastian frustriert.

„Das ist es ja genau“, erwidert Katharina nach kurzem Zögern.

„Was meinst du denn damit? Was ist das Problem an meiner Hilfsbereitschaft?“

Sebastian und Katharina sind einer der großen Fallen des Paaralltags auf der Spur – dem Mental Load.

Sie haben ziemlich volle Kalender. Beide betreuen ihre Kinder, schmeißen den Haushalt, engagieren sich ehrenamtlich und haben einen anspruchsvollen Teilzeitjob. Das alles wächst Katharina langsam aber sicher über den Kopf, während sich Sebastian trotz langer Tage recht gut hält.

Katharina wird das Gefühl nicht los, dass sie bei vielen gemeinsamen Aufgaben die Hauptlast trägt. Tatsächlich investiert ihr Mann aber gleich viel Zeit wie sie in die Kinder und den Haushalt. Sie haben in letzter Zeit mehrmals darüber diskutiert und sind dabei dem eigentlichen Problem immer nähergekommen. Beim Thema Abendessen ist der Groschen dann gefallen.

Am Abend kocht meistens Sebastian, während Katharina mit den Kindern Hausaufgaben macht. Sebastian fragt jeweils seine Frau, was er kochen solle, weil sie einen ungefähren Wochenmenüplan im Kopf hat. Diese Aufteilung ist typisch für sie als Paar: Beide investieren Zeit, Katharina investiert aber zusätzlich mentale Kapazität, indem sie vorausdenkt und sich einen Plan zurechtlegt. Sie übernimmt die Verantwortung für die meisten Familienangelegenheiten. Dann delegiert sie gewisse Aufgaben an Sebastian, welche dieser auch pflichtbewusst erledigt.

Sie denkt an den Geburtstag der Schwiegermutter und überlegt sich, was sie ihr schenken könnten. Das Geschenk kauft er dann auf dem Nachhauseweg. Sie macht mit der Lehrerin einen Termin fürs Elterngespräch ab und organisiert einen Babysitter, er ist natürlich beim Elterngespräch auch dabei.

Meistens trägt Katharina den Mental Load, sie muss an alles denken. Das ist nicht per se schlecht. Aber es erklärt, weshalb Katharina an ihre Grenzen kommt. Wenn sie das ändern wollen, reicht es nicht, dass Sebastian Katharina seine Hilfe beim Erledigen von gewissen Aufgaben anbietet. Damit die Last tatsächlich anders verteilt wird, muss Sebastian die Verantwortung für einen bestimmten Bereich ganz übernehmen.

Katharina und Sebastian wagen einen Versuch. Sebastian will probeweise für ein Jahr die Verantwortung für alles übernehmen, was mit der Schule der Kinder zu tun hat. Damit das gelingt, müssen sie zwei Hindernisse überwinden: Sebastian muss sich diese Verantwortung zutrauen und sich reinknien, auch wenn seine Frau bis jetzt mehr Erfahrung damit hat und besser weiß, wie das alles läuft. Und Katharina muss Sebastian auf seine Art machen lassen, auch wenn sie es anders angehen würde. Sie muss diesen Bereich loslassen und sich raushalten.

Beim Thema Mental Load geht es nicht darum, eine genaue Abrechnung zu machen. Wer seinen Einsatz gegen den Einsatz des Gegenübers aufrechnet und ständig schaut, dass er ja nicht zu viel macht, ist auf dem Holzweg. Die Frage, wer mehr macht, ist oft nicht zielführend. Vielmehr sind eine klare Aufgabenteilung, Wertschätzung und Großzügigkeit gefragt.

Eine gleiche Aufteilung der Aufgaben und des Mental Loads in allen Lebensbereichen ist meiner Meinung nach nicht erstrebenswert. Eine zusammen abgesprochene, den individuellen Stärken entsprechende und gerechte Aufteilung hingegen schon.

 

NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
Wie ist der Mental Load in eurer Partnerschaft verteilt?

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