Es ist Donnerstagmorgen, 7 Uhr. Zeit, meine drei Kinder zu wecken. Donnerstag bedeutet auch, dass meine beiden älteren Kinder (4 und 5 Jahre) pünktlich um fünf nach 8 los müssen, weil ich mit der Kleinsten (3 Jahre) um Viertel nach 8 in der Spielgruppe sein muss. Ein Blick auf den Wetterbericht verrät mir, dass es heute nass und kalt sein wird. Ich mache mir eine gedankliche Notiz: Regenhose nicht vergessen!!

Ich wecke die Kinder und überlege innerlich, was noch alles zu tun ist: 3x Znüni vorbereiten, 3x Regenhose mitgeben, 3x Zähne putzen, 3x auf die Toilette schicken, Morgenessen, Freundschaftsbuch mitgeben. Innerlich motiviert, aber auch etwas gehetzt – was ich natürlich, so gut es geht, zu unterdrücken versuche – starte ich gemeinsam mit meinen Kindern in den Tag. 

“Mama, ich kann mich nicht anziehen!”, “Mama, ich will heute nicht in den Kindergarten! Und ich will mich schon gar nicht selbst anziehen!” Dass unsere Jüngste von mir angezogen wird, ist ja in Ordnung. Aber dass ich meine 4- und 5-jährigen Kinder noch anziehen muss, nervt mich und droht, meine unterdrückte Eile ans Tageslicht zu bringen. Meine strapazierten Nerven drohen zu zerreißen. “Kinder, Mama kann doch nicht jeden Morgen drei Kinder anziehen. Wo soll das denn hinführen? Ihr müsst doch in den Kindergarten und ich muss noch Frühstück machen. Könnt ihr mich nicht ein wenig unterstützen?” Alle meine Bitten werden ignoriert. “Ich kann mich aber nicht anziehen!” Jeden Morgen dasselbe, fünfmal pro Woche.

Szenenwechsel: Es ist Samstagmorgen, 9 Uhr und damit Zeit für unseren wöchentlichen Familienrat. Heute ist unser 5-jähriger Sohn der Sitzungsleiter, mein Mann der Protokollführer. Unser Sohn sagt: “Wir kommen jetzt zu den neuen Traktanden. Wer hat ein Anliegen?” Zaghaft und wenig hoffnungsvoll melde ich mich zu Wort: “In den letzten Wochen fühle ich mich morgens oft gestresst. Zwei Kinder müssen pünktlich fertig sein und ich muss das Frühstück vorbereiten, Znüni machen, und so weiter. Es ist ein echtes Problem für mich, drei Kinder anzuziehen. Ich finde, ihr seid alt genug, um euch selbst anzuziehen und ich würde mir wünschen, dass ihr dies ohne Gejammer macht.”

Der Sitzungsleiter, der sich in seinem Amt gerade sehr erwachsen fühlt, meldet sich als erstes zu Wort: “Hmm… ich glaube, ich bin langsam alt genug, um mich selbst anzuziehen.” Skeptisch erkläre ich meinem Sohn, was das bedeutet: “Aber weisst du, es geht nicht nur um einen Tag, sondern das würde bedeuten, dass du dich jeden Morgen alleine anziehst.” – “Ja, das kann ich!” 

Darauf folgt meine 4-jährige Tochter: “Ich glaube, ich kann das auch. Aber ich möchte, dass ihr immer ein Kleidungsstück für mich anzieht.” Mein Mann fragt: “Welches denn?” – “Hmm… die Socken!” Nach einem kurzen fragenden Blick zu meinem Mann sage ich: “Das können wir uns gut vorstellen. Abgemacht.” Und noch einmal der Sitzungsleiter: “Und die kleine Schwester könnt ihr ja weiterhin anziehen.” Mit dieser Lösung waren alle einverstanden. 

Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass uns ein einmaliges Ansprechen einen großen Schritt weiterbringt. Die Kinder werden in den Lösungsprozess miteinbezogen, zeigen sich kooperativ und halten sich (meistens) an die Vereinbarungen. 

Skeptisch und gespannt startete ich in die neue Woche. Und wurde total überrascht. Meine beiden Kindergartenkinder zogen sich selbständig an. Nicht nur am ersten Tag, sondern die ganze Woche. Und danach noch viele weitere Wochen. Mein Problem war wie weggeblasen. Und immer wieder kam meine Tochter zu mir und sagte: “Mama, Überraschung! Schau mal!” Sie zeigte mir ihre Socken, die sie auch ganz alleine angezogen hatte.

Vom Familienrat bin ich ja schon länger begeistert. Aber dass er in solch alltäglichen Situationen so viel Entspannung bringt, hätte ich nicht gedacht. Immer wieder hatte ich mein Problem direkt in der Situation angesprochen, ohne etwas zu erreichen. Ganz anders im Familienrat: Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass uns ein einmaliges Ansprechen einen großen Schritt weiterbringt. Die Kinder werden in den Lösungsprozess miteinbezogen, zeigen sich kooperativ und halten sich (meistens) an die Vereinbarungen. Das begeistert mich!

Wo steht ihr in konkreten Alltagssituationen an?
Könnte die Installation eines Familienrats auch in eurer Familie zu mehr Entspannung führen?

Manuela Bareth ist verheiratet mit Marc. Gemeinsam haben sie drei Kinder zwischen 3 und 6 Jahren.

Sie ist gelernte Psychotherapeutin und arbeitet bei FAMILYLIFE, einem Arbeitszweig von Campus für Christus.