Mein Mann und ich durften in diesem Sommer unser 10-jähriges Ehejubiläum feiern. Für uns war das ein besonderer Moment, den wir feiern wollten. Und so entschieden wir, nach fast 10 Jahren Urlaub mit Kindern – unser älteres Kind wird bald 9 Jahre alt – dieses Jahr wieder einmal für 10 Tage allein als Paar zu verreisen.
Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, war, dass für eines unserer Kinder kurze Zeit später eine Phase beginnen würde, die von vielen Unsicherheiten und Ängsten geprägt war. Ausgelöst durch zwei “dumme Zufälle” hatte es eine negative Erfahrung gemacht, bei der ich als Mutter nicht dabei war. Das hatte schwerwiegende Folgen. Das Kind wurde sehr ängstlich, hatte viele unkontrollierte Emotionen und sein Bedürfnis nach Nähe zur Mama war sehr stark. So stark, dass es phasenweise nicht mehr zur Schule gehen wollte oder nicht wollte, dass ich als Mutter das Haus verlasse, um zu arbeiten. Die Ängste wurden auch irrational an Orte und Menschen geknüpft, mit denen die Erfahrung nichts zu tun hatte, so dass es z.B. nicht mehr zu Oma gehen wollte, obwohl sie unsere regelmäßige Betreuungsperson ist.
Die Angst, dass meine Kinder eine Erfahrung machen, die sie negativ prägt und ihnen schadet, begleitet mich unbewusst in meinem Alltag – und prägt mein Verhalten entsprechend.
Diese neue Situation stellte mich vor einige persönliche Lernprozesse und machte mir bewusst, wie stark der Wunsch in mir als Mutter vorhanden ist, mein Kind vor negativen Gefühlen und Erfahrungen zu schützen. Die Angst, dass meine Kinder eine Erfahrung machen, die sie negativ prägt und ihnen schadet, begleitet mich unbewusst in meinem Alltag – und prägt mein Verhalten entsprechend. Das Bewusstwerden dieser verborgenen Angst führte dazu, dass ich mir Gedanken darüber machte, was ich meinem Kind altersentsprechend zutrauen möchte und kann. Diese Frage für mich zu klären, hat mich in meiner Sicherheit und in meinem Verhalten meinem Kind gegenüber enorm gestärkt.
Natürlich begleitete mich in dieser Zeit die Frage, ob wir unter diesen Umständen unsere geplanten Ferien zu zweit realisieren können. Durch den Klärungsprozess konnte ich diese Frage für mich bejahen. Allerdings war die Umsetzung des Plans sehr umkämpft und wir wussten bis kurz vor der Abreise nicht, ob es wirklich klappen würde. Diese Ungewissheit hat unserem Kind natürlich nicht geholfen, sich darauf einzustellen. Vieles lief nicht optimal und wir machten auch Fehler. Nichtsdestotrotz sind mein Mann und ich dann doch in den Urlaub gefahren und durften die bis dahin schönsten Ferien für uns als Paar genießen (kleiner Werbeblock für Ehezeiten 🙂).
Unsere Zuversicht, dass es das schaffen wird, gab ihm sehr viel Sicherheit und weckte in ihm den Wunsch, diese Herausforderung positiv zu meistern.
Das Verhalten unseres Kindes hat mich total überrascht. Innerlich völlig entspannt und voller Vorfreude und Zuversicht verabschiedete es sich ohne Tränen von uns. Unsere Zuversicht, dass es das schaffen wird, gab ihm sehr viel Sicherheit und weckte in ihm den Wunsch, diese Herausforderung positiv zu meistern. Die Ferientage verliefen ohne Zwischenfall und die Telefonate mit unseren Kindern bestärkten mich in der Gewissheit, dass es ihnen gut ging und sie die Zeit genießen konnten. Ich war unglaublich dankbar.
Der Höhepunkt der Geschichte aber war, als ich am Tag unserer Rückkehr mein Kind von der Schule abholte und wir gemeinsam nach Hause gingen. “Mama”, sagte mein Kind zu mir. “Ich bin mutig!” Berührt und erstaunt fragte ich es, wie es denn dazu käme. Es erklärte mir, dass es während meiner Abwesenheit zweimal den “worst case” erlebt habe – also den Fall, vor dem es in den letzten Monaten panische Angst gehabt hatte – und dass es ohne Angst und ohne meine Anwesenheit damit hatte umgehen können. Wow, dieser Satz ging direkt in mein Herz und setzte das Ausrufezeichen ans Ende einer Phase, die für mich als Mutter wahrscheinlich genauso lehrreich gewesen war wie für mein Kind.
Wo stehst du in der Versuchung, dein Kind unnötig schützen zu wollen?
In welchen Bereichen siehst du die Möglichkeit, deinem Kind etwas zuzutrauen, das ihm eine positive Lernerfahrung ermöglicht?
Lea Leiser ist verheiratet mit Manuel. Gemeinsam haben sie einen Sohn, bald 9 und eine Tochter 7 Jahre alt, und leben mit weiteren Menschen gemeinschaftlich unter einem Dach.
Sie arbeitet in der Personalabteilung von Campus für Christus.