Unser jüngstes Kind kommt diesen Sommer in den Kindergarten, womit sich die Kleinkindära in unserem Hause dem Ende zu neigt. Entgegen der landläufigen Überzeugung, Mütter bewältigten diesen Übergang nur schwer, muss ich von meiner Seite sagen, dem ist nicht so. Vielleicht liegt es daran, dass ich diesen «Mein Kind kommt in den Kindergarten»-Ablösungsprozess nun schon zum vierten Mal durchlaufe – ich habe im Loslassen also schon eine gewisse Übung. Oder aber es liegt daran, dass ich einfach froh bin, der nun schon eine Dekade anhaltenden Kleinkindzeit Adieu sagen zu dürfen. «Fertig Fudi putze» – zumindest im wortwörtlichen Sinne.
Ich stelle fest, dass ich mit der bevorstehenden Umstellung, die mit mehr Ich-Zeit verbunden ist, sehr liebäugle. Die letzten Jahre haben ziemlich angehängt und energietechnisch ihre Spuren hinterlassen. Da sind Sehnsuchtsgefühle nach mehr Freiraum irgendwie nachvollziehbar. Doch werde ich mich hüten, der Illusion aufzusitzen, mit dem Ende der Kleinkindphase würde es weniger anspruchsvoll – oder ich und mein Mann weniger gebraucht werden. Im Gegenteil. Das Bedürfnis unserer Kinder nach fast permanenter physischer Anwesenheit unsererseits mag zwar drastisch abnehmen, doch die Notwendigkeit von uns als interessierten, elterlichen Gegenübern bleibt – ja, nimmt sogar zu. So muss ich es mir immer wieder selbst sagen: Es geht darum, als Eltern im physischen wie mentalen Sinne präsent zu sein, unabhängig von der Entwicklungsphase der Kinder, und unabhängig davon, wie sie sich verhalten oder wie es mir gerade geht.
Wegbeamen geht nicht. Den Mama-Hut ablegen, ebenso wenig. Dieser Job ist unkündbar. So I better deal with it und übe mich im Präsentbleiben.
Aber das ist so leicht daher gesagt. Denn ich weiß um die tiefsten Tiefen meiner selbst, die sich durch Überforderung, Energie- und Zeitmangel in meine Gedanken hochschleichen und mir das Elternsein soweit madig machen können, bis ich es am liebsten an den Nagel hängen würde. In solchen Momenten will ich alles andere als präsent sein. Dann will ich am liebsten den Bettel hinschmeißen, die Reset-Taste drücken und mich zurück in meine eigene Kindheit beamen, wo das Leben weniger kompliziert und anstrengend war. Doch Wegbeamen geht nicht. Den Mama-Hut ablegen, ebenso wenig. Dieser Job ist unkündbar. So I better deal with it und übe mich im (versöhnten) Präsentbleiben.
Wie das geht, weiß Haim Omer, israelischer Psychologe und Familientherapeut, dessen Interview im Eltern Magazin «Fritz und Fränzi»* ich an dieser Stelle wärmstens empfehle. Nicht nur, weil Omer grad zu Beginn des Gesprächs einräumt, wie sehr viel schwerer wir Eltern es heutzutage haben verglichen mit der Generation vor uns – und ich mich deswegen so was von verstanden weiss –, sondern weil er es versteht, auf eindrücklich einladende Weise über ein Elternsein zu sprechen, das mehr ist als nur auslaugendes Dienstleistertum. Die gute und gleichzeitig herausfordernde Nachricht ist: «Präsenz als elterliche Stärke entwickelt sich, wenn wir uns vom Wunsch verabschieden, unser Kind kontrollieren zu können.» Omer weiß (und wenn wir ehrlich sind, viele von uns im Grunde auch), dass das Einzige, was wir kontrollieren können, wir selbst sind. Wir Eltern entscheiden, wie wir uns unseren Kindern gegenüber verhalten – angefangen bei der Frage, wie wir uns und unsere Zeit zur Verfügung stellen.
Ich für meinen Teil also werde meinen Jüngsten kommenden August in den Kindergarten begleiten und seinen offiziellen Start in die Schullaufbahn feiern wie meinen persönlichen Unabhängigkeitstag. Doch auch wenn ich keine Fudis mehr putzen muss, weiß ich, dass meine Kinder mich auch in Zukunft brauchen. Die Taschentücher liegen griffbereit.
*Interview mit Haim Omer im Eltern Magazin «Fritz und Fränzi» vom Februar 2020: fritzundfraenzi.ch/erziehung/elternbildung/psychologe-haim-omer-rat-eltern-zum-gewaltlosen-widerstand
Es lohnt sich, hin und wieder eine Art Standortbestimmung zu machen und sich in Anbetracht der aktuellen Entwicklungsphase der Kinder die Frage zu stellen: Wo braucht es mich momentan und in welchem Masse?
Angi Schmidt ist verheiratet mit Jonathan. Zusammen haben sie vier Kinder im Alter von 4,5 bis 10 Jahren.
Sie ist Psychologin, arbeitet bei Campus für Christus und leitet die Redaktion des Magazin Amen.