FAMILYLIFE
Engagieren

Als unser erstes Kind geboren wurde, habe ich versucht, alles alleine im Griff zu haben. Das war für mich quasi die Definition von Muttersein. Ich nahm mir relativ selten Zeit für mich selbst und vergaß im Laufe der Jahre sogar, wer ich sonst noch bin und was ich gerne mache. Ich habe diese Rolle freiwillig übernommen, niemand hat sie von mir verlangt. Viele Eltern, vor allem Mütter, neigen zu einem solchen Verhalten – leider mit negativen Folgen für Eltern und Kinder.

Die Folgen für mich waren zunehmende Unzufriedenheit und Freudlosigkeit, die ich lange Zeit erfolgreich ignorierte. Bis die Umstände mich zwangen, mich der Situation zu stellen und das, was mich zunehmend belastete, mit meiner Familie zu teilen. Dazu musste ich mich von dieser Art intensiver Elternschaft verabschieden. Und lernen, die Schuldgefühle, die dabei aufkamen, in die Wüste zu schicken. 

Denn – und das ist eine gute Nachricht – es ist gut für die Kinder, wenn die Eltern beginnen, ihre Belastung mit den Kindern zu teilen, während es für Eltern und Kinder schädlich ist, wenn die Elternschaft zu intensiv bzw. ohne Rücksicht auf die Ressourcen gelebt wird. Denn wenn unser Energietank leer ist, haben wir nichts mehr zu geben. Ein Mangel an Gegenseitigkeit in familiären Beziehungen wirkt sich negativ auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Beziehungen der Eltern aus. Die Belastungen können dabei ganz unterschiedlich sein: Hausarbeit, Planen, Organisieren und alle Fäden in der Hand halten, usw.  

Aber warum teilen wir das, was der Alltag an Belastungen mitbringt, dann nicht? Oft hindert uns das Bedürfnis nach Kontrolle, das bei manchen von uns stärker ausgeprägt ist, daran (und hinter dem sich oft Ängste verbergen). Oder eine perfektionistische Veranlagung (niemand genügt unseren Ansprüchen). Und dann gibt es noch eine Lüge, die viele von uns verinnerlicht haben: Nämlich die, dass gute Elternschaft (Mutterschaft) bedeutet, selbstlos** zu sein und die Bedürfnisse aller anderen immer an die erste Stelle zu setzen. Aber was haben die Kinder konkret davon, wenn wir die Lasten teilen? 

Kinder merken sehr genau, wenn Eltern sich überfordern, sich nicht um sich selbst kümmern und unzufrieden sind.

Kinder müssen wissen, dass sie uns wichtig sind. Wenn wir im Hamsterrad von Familie, Haushalt, Ehrenamt und Beruf strampeln, können wir ihnen das oft zu wenig zeigen. Wenn wir die Last teilen, setzt das Energie frei, um auf Bindungswünsche der Kinder einzugehen und mit ihnen wertschätzend und ermutigend zu kommunizieren. 

“Die größte Last, die ein Kind tragen muss, ist das ungelebte Leben der Eltern”, hat Carl Jung einmal geschrieben. Oder anders ausgedrückt: Kinder merken sehr genau, wenn Eltern sich überfordern, sich nicht um sich selbst kümmern und unzufrieden sind. Unbewusst tragen sie dann diese ungleich größere Last mit.

Wenn die Kinder mit uns im Haushalt arbeiten, lernen sie, unsere Zeit zu schätzen und entdecken, dass Arbeit Spaß machen kann. Zudem haben Resilienzforschungen gezeigt, dass die Beteiligung von Kindern an der Hausarbeit für diese mit erhöhter Resilienz, einem größeren Zugehörigkeitsgefühl und Kompetenz einhergeht – je früher, desto besser.

Offene Gespräche über die unsichtbare Last und die Einladung an die Kinder, mehr Verantwortung zu übernehmen, werden ihnen in ihren zukünftigen Beziehungen helfen. Aus Mädchen werden Mütter, die sich auch um sich selbst kümmern, und aus Jungen, involvierte, engagierte Väter. Warum? Weil sie gelernt haben, die Zeit ihrer Eltern zu respektieren.

Nun bleibt nur noch die Frage, wie man die Belastungen konkret und auf eine gute Art und Weise teilen kann. Mehr dazu in einem der nächsten Blogbeiträge.

Wie siehst du deine Rolle als Mutter / Vater? 
Sind deine Kinder vor allem Nutznießer oder Teil des Familienteams?
Möchtest du etwas verändern? Wenn ja, was konkret?

*John C. Maxwell
**Um Missverständnissen vorzubeugen: Mutter/Vater zu sein hat per Definition mit Selbstlosigkeit zu tun. Nur nicht bis zur Selbstaufgabe.

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