Die einen starten ins Familienleben, die anderen sind mitten im trubeligen Alltag mit Kleinkindern und die Dritten üben sich im Loslassen; weil ein Kind in den Kindergarten oder die erste Klasse startet, den Schritt in die Oberstufe macht oder das Elternhaus verlässt.
Ein Arbeitskollege hat nach den Sommerferien einen Sohn in die erste Klasse und eine Tochter in den 2. Kindergarten geschickt. Er meinte: “Veränderungen fühlen sich für Eltern häufig viel größer an als für Kinder.” Er muss Abschied nehmen davon, dass sie als Eltern jetzt nicht mehr die einzigen sind, die Einfluss auf ihre Kinder nehmen.
Für meine Nichte hat das zweite Schuljahr begonnen. Meine Schwester bekommt zu spüren, dass dieser Neustart nach den Sommerferien ihre Tochter viel Energie und Kraft kostet. Nach der Schule und am Wochenende scheint ihr Kooperationsguthaben aufgebraucht zu sein. Meine Schwester und ihr Mann müssen loslassen und aushalten, dass ihr Kind zu Hause Dampf ablässt.
Meine Jüngste ist in die Oberstufe gestartet; seither sitzt sie jeden Nachmittag zwei Stunden am Esstisch und erledigt Hausaufgaben und versucht den Ansprüchen der neuen Schulstufe gerecht zu werden. Sie spürt ihre Grenzen – und wer in ihrer Nähe ist, bekommt das, je näher die Abendbrotzeit rückt, zu spüren. Auch wir lassen unsere Tochter los, in ein Umfeld mit einem rauen Umgangston und ganz neuen Herausforderungen.
Zutrauen und Loslassen ist besonders dann gefragt, wenn die Kinder einen weiteren großen Schritt in die Selbstständigkeit machen. Und gerade dann ist das besonders herausfordernd, weil das Verhalten der Kinder uns eigentlich zum Gegenteil verleitet. Ich tendiere in solchen Momenten fest zu mehr Kontrolle, mehr reden, mehr Einmischung – natürlich alles getarnt als Fürsorge.
Dazu kommen Fragen wie: Was ist meine neue Rolle? Was habe ich jetzt noch zu sagen im Leben meines Kindes? Habe ich eine Grundlage gelegt, die hält?
Das sind typische Elternängste und sie sind unnötig. Zwei unserer Kinder sind bereits erwachsen und was ich früher einfach hoffte, weiß ich heute: Kinder haben eine gute Wahrnehmung. Sie wissen zu schätzen, was wir gut machen und beurteilen die Welt durch das Wertesystem, das wir ihnen vermittelt haben – auch dann, wenn immer mehr äußere Einflüsse da sind. Was wir vermittelt haben, ist bei ihnen verankert. Unser Einfluss als Eltern ist prägend und bleibt wichtig, auch wenn sie uns manchmal das Gegenteil vermuten lassen.
Aber zurück zu den Veränderungen: Diese verlangen einerseits nach Anpassung und Stabilität.
Anpassung braucht Zeit und geschieht leichter, wenn man die Worte von Ernst Ferstl beherzigt: Die Kunst des Lebens ist die Kunst des Lassens. Zulassen. Weglassen. Loslassen. Ich übersetze für mich: Zulassen: Dass das Kind sich wie ein Kind verhält und negative Gefühle überhandnehmen. Weglassen: von Unnötigen im Haushalt, Freizeit, Freiräume schaffen.
Loslassen: Ist kein Synonym für Zurücklehnen oder Vernachlässigen. Auch wenn sich Dinge ändern: Bis unsere Kinder erwachsen sind, ist es ihre Aufgabe, zu lernen und unsere Aufgabe ist es, sie darin zu begleiten und anzuleiten – einfach altersangepasst. Loslassen ist Vertrauen ins Kind.
Wo ändert sich in deinem Alltag grad etwas und wie fühlt sich das an?
Wo musst du etwas anpassen?
Wie kannst du inmitten in der Veränderung Stabilität schaffen?