Als ich vor vielen Jahren nach einer zweijährigen Pause wieder außer Haus arbeitete, kamen meine beiden älteren Kinder abends eine Viertelstunde vor mir nach Hause. Wenn ich dann zu Hause eintraf, redeten beide gleichzeitig auf mich ein, noch bevor ich überhaupt einen Fuß über die Türschwelle gesetzt hatte. Das Bedürfnis der Kinder, mir von ihrem Tag zu erzählen und mein Wunsch, nach einem langen Tag wenigstens in Ruhe Jacke und Schuhe ausziehen zu können, prallten heftig aufeinander. Irgendwann setzte ich durch, dass sie mir drei Minuten Ruhe gönnten, bevor wir uns hinsetzten und sie erzählen konnten, was sie beschäftigte.
Das war ein Fehler, habe ich kürzlich gelesen. Besser wäre es gewesen, zuerst auf die Verbindungsanfrage der beiden einzugehen und mich dann für ein paar Minuten zurückzuziehen. Also erst dem einen Kind zuhören, das andere umarmen und gleichzeitig dem dritten die Schuhe ausziehen. Im Nachhinein erscheint mir das gar nicht so schwierig, aber damals war das für mich Stress pur.
Zum Glück machen wir alle Fehler und zum Glück gedeihen unsere Kinder auch mit unperfekten Eltern. “Und ich mach’ mit Liebe alles falsch, so gut ich kann”, singt Reinhard Mey treffend.
Aber zurück zu den Verbindungsanfragen. Unsere Beziehungen bestehen aus einer ganzen Reihe von Verbindungsanfragen. Sie sind entscheidend für die Entwicklung einer liebevollen Beziehung: Werden die meisten von ihnen beantwortet, kommen wir uns näher. Bleiben sie unbeantwortet, entfernen wir uns voneinander. Deshalb ist es wichtig, als Eltern auf möglichst viele Verbindungsanfragen der Kinder einzugehen, und zwar so, dass sich die Kinder geliebt fühlen.
Nun ist es aber so, dass Kinder nicht nur ständig solche Anfragen senden, sondern dass manche davon bei uns negative Gefühle auslösen und uns an unsere Grenzen bringen. Hier einige Beispiele: Das Schreien des Babys oder das “Nein” des Kleinkinds ist eine Anfrage. Aber auch wenn uns das Schulkind ignoriert und der Teenager seine (in unserem Fall schönen blauen) Augen verdreht, ist das eine Verbindungsanfrage mit einer Botschaft dahinter.
Die Versuchung ist dann groß – geleitet von den eigenen starken Gefühlen, das Verhalten des Kindes zu korrigieren oder sich von ihm zurückzuziehen. Das aber führt beim Kind weder zum gewünschten Verhalten, noch modellieren wir damit das Verhalten, das wir bei unseren Kindern entwickeln möchten. Kinder gedeihen, wenn sie sich verbunden, wahrgenommen und respektiert fühlen. Mit anderen Worten: Wir müssen auf die Verbindungsanfrage eingehen, bevor wir korrigieren oder das erwünschte Verhalten thematisieren.
In einem perfekten Leben würde eine Verbindungsanfrage drei Kriterien erfüllen: Sie ist ausgesprochen, konkret und als Wunsch formuliert. Was selbst Erwachsenen schwerfällt, kann man von einem Kind natürlich nicht erwarten:-). Deshalb wünsche ich uns allen Humor, Geduld und detektivischen Spürsinn bei der liebevollen Annahme der Verbindungsanfragen unserer Kinder.
Versuche, eine eher schwierige Verbindungsanfrage deines Kindes liebevoll zu beantworten.