Ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend, weil wir mitten in etwas stecken, das noch nie dagewesen ist. Ärger über Menschen, die sich trotz der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder aus jugendlichem Leichtsinn in der Öffentlichkeit bewegen und damit andere gefährden. Und Angst davor, durch dieses unbedachte Verhalten anderer die Möglichkeit zu verlieren, kurz draußen Luft zu schnappen.
Wie war das genau vor ein paar Wochen? Waren wir da tatsächlich in den Skiferien und haben den Schnee und das Zusammensein mit Eltern, Geschwistern und Kindern genossen? Und haben wir wirklich Mitte Februar den 18. Geburtstag unserer Ältesten gefeiert? Mit einem Brunch im hippen Café und voller Vorfreude auf ein spannendes Zwischenjahr nach den Maturaprüfungen? Die Zeit vor Corona. Wie unwirklich und weit weg mir das heute scheint. Jetzt ist alles anders.Â
Ebenso fern und unwirklich ist für mich das Danach. Niemand weiss, wie lange die Situation andauern wird und ob das Leben nachher wieder so wird, wie wir es kennen. Die Kinder zur Schule schicken, zur Arbeit pendeln, Freunde einladen, sich auf Ferien freuen? Nicht nur äußerlich, auch innerlich ist bei mir ein Vakuum entstanden. Mittendrin – real time-Corona.
Schaffen wir so viel Nähe oder schafft sie uns?
Ich bin mittendrin und wir als Familie sind mittendrin. Fünfmal Gefühlsachterbahn, fünfmal den Alltag umstellen, fünfmal Gedanken, Sorgen, Ängste und die Tatsache, dass wir auf uns selbst zurückgeworfen sind. Schaffen wir so viel Nähe oder schafft sie uns?
Als Eltern betreten wir Neuland. Ich bin noch mehr als sonst gefordert, mich selbst gut zu führen, meine Beziehung zu pflegen und die Kinder durch diese Zeiten zu lotsen. Mich selbst gut zu führen ist das allerwichtigste. Das kann mir niemand abnehmen und die Wirkung auf meine Familie ist immens.
Der Schweizer Theologe und Autor Thomas Härry bringt es auf den Punkt: «Ich halte die Fähigkeit, sich selbst zu führen, für eine Kernkompetenz (…). Ohne sie ist es unmöglich, gute Beziehungen aufzubauen, Konflikte konstruktiv zu lösen, mit Belastung und Stress umzugehen. Ohne Selbstführung scheitert auch jeder Versuch, andere Menschen auf gute Weise zu begleiten und führen.»
Hab acht auf dich selbst!
Ich erlebe momentan einen Crash-Kurs in Selbstführung. Es zeigt sich gerade, was ich schon alles verinnerlicht habe. Gestern war ein guter Tag, der Tag zuvor leider nicht. Es ist ein Prozess – Scheitern inklusive. Nicht nur bei mir; auch alle anderen Familienmitglieder durchlaufen einen unterschiedlichen Prozess. Die verschiedenen Persönlichkeiten treten nun deutlich zutage. Das eine Kind ist anpassungsfähig während das andere von seiner Entwicklung her seinen Abnabelungsprozess beenden möchte und nun mit uns zusammen festsitzt.
Hab acht auf dich selbst. Das beginnt nicht mit einer Liste voller Pflichten, sondern mit dem Bewusstsein, dass ich von Gott geliebt, versorgt und festgehalten bin. Das ist die Grundlage für alles. Damit weiß ich auch, dass ich für mich sorgen darf und soll. Es ist wichtig, dass meine Tanks gefüllt sind. Konkret geht es da um meine Beziehung zu Gott, um Seelenpflege und um meinen Energietank. Wenn ich in diesen Bereichen gut unterwegs bin, hilft mir das, meine Beziehungen und Aufgaben in der Familie besser wahrzunehmen – und Scheitern ist sowohl bei Gott wie auch in meiner Familie okay. Denn beide lieben mich unabhängig von meinen Erfolgen und Misserfolgen.
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Wie geht es dir? Nimm deine Gefühle ernst – auch die negativen.
Setze Prioritäten – zuerst deine Emotionen, deine Beziehung zum Partner und den Kindern und dann deine Aufgaben.
Alexandra Kämpf ist verheiratet mit Richard. Zusammen haben sie drei Töchter im Alter von 7 bis 18 Jahren. Mit Homeoffice und Homeschooling hat sie Neuland betreten.
Sie arbeitet bei FAMILYLIFE und verantwortet dort die Ehe- und Elternkurse.