Die Schulleiterin schlägt Leon als neuen Informatik-Verantwortlichen der Schule vor. Leon wehrt ab. Er organisiere schließlich schon den Sporttag und mehr liege einfach nicht drin. Es ist ein offenes Geheimnis im Lehrerzimmer, dass der Aufwand für den Informatik-Verantwortlichen die Kompensation deutlich übersteigt. Deshalb will niemand diesen unbeliebten Job übernehmen. «Beim Sporttag helfen wir ja alle mit, du koordinierst das bloß», wirft ein Lehrerkollege ein. Die ganze Runde nickt zustimmend. Die Kollegen und die Schulleiterin sind sich einig, dass Leon diese Aufgabe übernehmen soll. Leon steht offensichtlich auf verlorenem Posten und verstummt. Teilnahmslos wartet er, bis die Sitzung fertig ist. Dann verlässt er frustriert das Lehrerzimmer.
Noch schlimmer als die neue Aufgabe ist für ihn die Tatsache, dass sich seine Kollegen offensichtlich gegen ihn zusammengetan haben. Dass er nicht richtig dazugehört und am Rand der Gruppe steht, stimmt ihn traurig und verzweifelt.
Als er abends nach Hause kommt, wirkt er gedankenversunken und abwesend. Wenn er etwas sagt, sind es meist zynische Bemerkungen. Als ihn seine Frau fragt, was los sei, hat er plötzlich einen Moment besonderer Klarheit. Er realisiert, dass seine Antwort auf diese Frage eine wichtige Weichenstellung für ihre Partnerschaft sein wird.
Er könnte seiner Frau antworten: «Es ist nichts. Ich bin einfach müde von diesem anstrengenden Tag.» Damit ist das Thema vom Tisch. Aber er hat seine Frau von seiner Welt ausgeschlossen.
Eine zweite Antwortmöglichkeit wäre: «Ich bin schlecht aufgelegt, weil mir der Job des Informatik-Verantwortlichen zugeschoben wurde. Und das, obwohl ich schon für den Sporttag verantwortlich bin.» Damit berichtet Leon zwar, was vorgefallen ist. Aber er beschränkt sich auf die Fakten. Er verschweigt, weshalb ihn das so belastet – und damit den eigentlichen Kern der Sache. Er schützt sich, will nicht schwach wirken und vor seiner Frau das Gesicht wahren.
Die dritte Variante: «Die Schulleiterin hat mich als Informatik-Verantwortlichen vorgeschlagen. Ich habe versucht, mich dagegen zu wehren. Aber niemand hat mich unterstützt. Im Gegenteil: Alle anderen Lehrpersonen haben sich verbündet, um mir den Job zuzuschieben, den sonst niemand machen will. Selbst meinen Einwand, dass ich schon den Sporttag organisiere, haben sie ignoriert, als wäre das nichts wert. Ich wollte noch etwas sagen, aber ich brachte kein Wort mehr heraus. Ich habe mich so alleingelassen und ohnmächtig gefühlt. Es macht mich traurig, dass ich nicht richtig zum Team gehöre. Ich habe echt keine Lust mehr, weiterhin an dieser Schule zu arbeiten.»
Die emotionale Selbstöffnung in der dritten Variante kostet Leon etwas. Er macht sich verletzlich, indem er seine Frau an dem teilhaben lässt, was ihn wirklich beschäftigt. Er lässt die Schutzhüllen fallen und zeigt sich so, wie er wirklich ist. Diese Offenheit und Nahbarkeit wird ihre Beziehung vertiefen. Es entsteht eine emotionale Intimität. Dadurch wird ihre Verbindung gestärkt und es wird für beide einfacher, sich bei einer nächsten solchen Weichenstellung wieder für den Weg der emotionalen Selbstöffnung zu entscheiden.
Wie wir uns in solchen Weichenstellungsmomenten verhalten, entscheidet über die Tiefe unserer Partnerschaft. Emotionale Selbstöffnung braucht Überwindung, aber führt uns zu der vertrauensvollen, tiefgründigen Beziehung, die wir uns wünschen. Der Beziehungsexperte Dr. Guy Bodenmann schreibt sogar: «Emotionale Selbstöffnung ist der Schlüssel zu einer glücklichen Partnerschaft.»
NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:
Achte darauf, wie du jeweils die Weichen in deiner Beziehung stellst. Wann gelingt dir die emotionale Selbstöffnung und wann nicht?